Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 24.04.2020 aufgrund massiver Kritik Änderungen an dem ursprünglichen Referentenentwurf vorgenommen. Um gerichtliche Verfahren in Zeiten der Corona-Pandemie rechtssicher (fort-)zuführen, hatte das Bundesarbeitsministerium einen Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der COVID 19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze (COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG)" vorgelegt.
I. Verfahren
Nach den Änderungen des BMAS sollen die Öffentlichkeit in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit erhalten bleiben. So sieht es zumindest eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der COVID 19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze (COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG) vor.
Die Formulierungshilfe wurde vom BMAS am 24.04.2020 an die an der Debatte beteiligten Verbände übermittelt - mit einer Frist zur Stellungnahme bis zum Sonntag, den 26.04.2020, 15 Uhr. Viele Verbände werden wohl erst am 27.04.2020 die - abgelaufene - Möglichkeit zur Stellungnahme gesehen haben.
II. Inhalte
Nach den urpsrünglich geplanten Änderungen im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und im Sozialgerichtsgesetz (SGG) sollen Möglichkeiten der fernmündlichen Verhandlung geschaffen werden. So ist vorgesehen, dass ehrenamtliche Richter der mündlichen Verhandlung mittels Übertragung in Bild und Ton von einem anderen Ort aus als dem Gericht beiwohnen können. Zudem soll die Möglichkeit der Nutzung von Videokonferenzen nach § 128a ZPO im Arbeitsgerichtsverfahren und nach § 110a SGG im Sozialgerichtsverfahren ausgeweitet werden. Das Gericht soll diese Form der Teilnahme anordnen können, wenn die Parteien, Bevollmächtigen, Beistände, Zeugen bzw. Sachverständigen die technischen Voraussetzungen für die Bild- und Tonübertragung in zumutbarer Weise vorhalten können.
Für das schriftliche Verfahren wird für die Arbeitsgerichtsbarkeit vorgesehen, dass die Verkündung durch die Zustellung ersetzt wird. Für das BAG und das BSG wird die Möglichkeit geschaffen, das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO und abweichend von § 124 Abs. 2 SGG auch ohne Zustimmung der Parteien anzuordnen.
Für die Gerichte der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit wird über eine begrenzte Ausnahme die Möglichkeit eingeräumt, aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Öffentlichkeit auszuschließen. Für die Vereidigung ehrenamtlicher Richter wird eine Übergangsregelung geschaffen, um die Arbeitsfähigkeit der Gerichte sicherzustellen.
Der neue § 114 ArbGG enthält dabei den folgenden Wortlaut:
" § 114. Infektionsschutz bei epidemischen Lagen von nationaler Tragweite
(1) Abweichend von § 128a der Zivilprozessordnung können die ehrenamtlichen Richter bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus beiwohnen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton auch an diesen Ort übertragen. Gleiches gilt für die Beratung und Abstimmung. Die an der Beratung und Abstimmung Teilnehmenden haben durch organisatorische Maßnahmen die Wahrung des Beratungsgeheimnisses sicherzustellen; die entsprechende Feststellung ist zu protokollieren.
(2) Die Gerichte für Arbeitssachen können abweichend von § 128a der Zivilprozessordnung bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes anordnen, dass die Parteien, ihre Bevollmächtigten und Beistände sowie Zeugen und Sachverständige an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus teilnehmen, sofern diese die technischen Voraussetzungen für die Bild- und Tonübertragung in zumutbarer Weise vorhalten können. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton auch an diesen Ort übertragen. Gegen Entscheidungen nach Satz 1 findet die sofortige Beschwerde statt. Sie ist binnen einer Notfrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.
(3) Die Gerichte für Arbeitssachen können die Öffentlichkeit abweichend von § 52 für die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ausschließen, wenn infolge einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes der erforderliche Gesundheitsschutz nicht anders zu gewährleisten ist. Dieser Absatz wurde ersatzlos gestrichen.
(4) Entscheidet das Landesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes nach § 128 Absatz 2 der Zivilprozessordnung ohne mündliche Verhandlung, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt.
(5) Abweichend von § 128 Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung kann das Bundesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes nach vorheriger Anhörung auch ohne Zustimmung der Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Entscheidet das Bundesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes ohne mündliche Verhandlung, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt."
Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.04.2020,
Quelle: David Schneider, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln