Der Bundesrat hat am 26.03.2021 dem Gesetz zu der Notifikation betreffend die Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gemäß dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit (im Folgenden: Protokoll) zum Handels- und Kooperationsabkommen vom 30.12.2020 zwischen der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (GBR) andererseits zugestimmt.
I. Verfahren
26.03.2021 | Beschluss des Bundesrates |
25.03.2021 | Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages |
23.02.2021 | Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD |
II. Hintergrund und Ziele
Nach Art. SSC.11 Abs. 2 des Protokolls besteht für die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Regeln zur sozialversicherungsrechtlichen Entsendung von Arbeitnehmern und Selbständigen in seinen Beziehungen mit dem GBR im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens weiterhin anzuwenden, wenn sie dies der EU mitteilen. Sie müssen dies insbesondere der EU bis 15.01.2021 mitteilen. Anschließend ist eine Notifikation ausgeschlossen. Ein Widerruf der Notifikation hingegen kann nach Art. SSC.11 Abs. 8 des Protokolls jederzeit erfolgen.
Die Fortdauer der vorerwähnten Regeln ist höchst sinnvoll und liegt vor dem Hintergrund der auch nach Austritt von GBR aus der EU voraussichtlich umfangreichen und intensiven außenwirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu GBR im Interesse hiesiger Unternehmen und ihrer in GBR eingesetzten Arbeitnehmer*innen. Durch die Fortdauer wird nämlich weiterhin sichergestellt, dass lediglich vorübergehend im anderen Staat eingesetzte Arbeitnehmer*innen sowie Selbständige nicht kurzzeitig in das Sozialversicherungssystem des anderen Staates und anschließend wieder zurück wechseln müssen.
Die nationalrechtlichen Bedingungen für die Fortdauer dieser Regelungen lassen sich im Art. 59 Abs. 2 GG finden. Denn durch die in Art. SSC.11 Abs. 2 B lit. a des Protokolls vorgesehene Notifikation wird für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu GBR letztlich eine völkerrechtliche Vereinbarung über die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Selbständigen getroffen, deren innerstaatliche Geltung einem parlamentarischen Zustimmungsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG bedarf. Da jedoch ein förmliches Vertragsgesetz nicht rechtzeitig bis zum 15.01.2021 verabschiedet und in Kraft gesetzt werden konnte, ist zur Sicherstellung der Entscheidungsmöglichkeit des Gesetzgebers eine fristwahrende Notifikation auf Grundlage eines Kabinettsbeschlusses vom 13.01.2021 erfolgt.
Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz wird der fristwahrend erfolgten Notifikation betreffend die Anwendung der Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmern*innen gemäß dem Protokoll über die Koordinierung der sozialen Sicherheit zugestimmt.
III. Wesentliche Inhalte
Die Anwendung der in Art. SSC.11 Abs. 1 des Protokolls beschriebenen Entsenderegelungen für Arbeitnehmer*innen sowie Selbständige wird mit dem Vertragsgesetz bestätigt. Diese Regeln entsprechen den bislang im Verhältnis zu GBR gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit geltenden sozialversicherungsrechtlichen Entsenderegelungen. Genauer gesagt:
- Eine Person, die in einem Staat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Staat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des entsendenden Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht einen anderen entsandten Arbeitnehmer oder eine andere entsandte Arbeitnehmerin ersetzt.
- Eine Person, die gewöhnlich in einem Staat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Staat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit 24 Monate nicht überschreitet.
Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.04.2021,
Quelle: Stamatia Kynigopoulou, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln