Der Bundesrat billigte am 25. Juni 2021 das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Mit umfangreichen gesetzlichen Änderungen will der Bundestag Qualität und Transparenz in der medizinischen Versorgung verbessern. Das Gesetz sieht neue Vorgaben für den Gemeinsamen Bundesausschuss, mehr Rechte für Krankenversicherte sowie Reformen in Krankenhäusern und Hospizen vor.
I. Verfahren
19.02.2021 | Gesetzesentwurf der Bundesregierung |
25.06.2021 | Beschluss des Bundesrates |
II. Hintergrund
Die Bundesregierung hat Regelungen auf den Weg gebracht, die unter anderem für eine regelmäßige Entlohnung nach Tarif sorgen. Bundesgesundheitsminister Hubertus Heil sagte: "Es werden über 500.000 Altenpflegerinnen und Altenpfleger jetzt davon profitieren, die bisher nicht nach Tarif bezahlt werden. Denn Pflegekräfte hätten nicht nur Anerkennung und Applaus verdient, sondern auch anständige Löhne und Arbeitsbedingungen".
Tarifbezahlung für Pflegekräfte und zugleich Entlastung für Pflegebedürftige bei den Eigenanteilen - dafür sorgt das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Ein zusätzlicher Bundeszuschuss an die GKV stabilisiert den Zusatzbeitragssatz im kommenden Jahr. Für die Krankenhäuser wird eine Qualitätsoffensive eingeleitet und Versicherte profitieren von verbesserten Leistungen.
III. Wesentliche Inhalte
Altenpflege wird besser bezahlt und der Beruf attraktiver
- Ab dem 1. September 2022 sollen nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden, - also mit der Pflegeversicherung abrechnen können - die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen.
- Damit Heime mehr Pflegepersonal anstellen, wird ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel vorgegeben, der weitere Einstellungen zusätzlicher Pflegekräfte ermöglicht.
- Pflegekräfte bekommen mehr Verantwortung - sie sollen künftig Hilfsmittel verordnen und eigenständige Entscheidungen in der häuslichen Pflege treffen können. Außerdem wird mit der Pflegereform Kurzzeitpflege im Krankenhaus möglich gemacht.
- Die Pflegebedürftigen werden nach mehr als 24 Monaten Pflege durchschnittlich um rund 410 Euro im Monat entlastet, nach mehr als 36 Monaten Pflege sogar um rund 638 Euro im Monat.
- Ab 2022 soll die Pflegeversicherung einen pauschalen Bundeszuschuss in Höhe von jährlich 1 Milliarde Euro erhalten. Außerdem wird der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte angehoben, hierdurch würde die Pflegeversicherung zusätzlich 400 Mio. Euro/Jahr erhalten.
Bundesgesundheitsminister Spahn gab an: "Mit höheren Löhnen, mehr Kompetenzen und mehr Kolleginnen und Kollegen machen wir den Pflegeberuf attraktiver. Gleichzeitig entlasten wir Pflegebedürftige und ihre Familien in Milliardenhöhe. Das Gesetz sorgt außerdem für mehr Vernetzung, Qualität und Transparenz in der Versorgung. So stärken wir unser Gesundheitssystem - damit es auch in Zukunft zu den besten zählt."
Die wichtigsten Regelungen des GVWG im Überblick:
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Für eine gute Versorgung in der Altenpflege werden genügend Pflegekräfte benötigt. Dafür sollen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung angepasst werden. Ab dem 1. September 2022 sollen daher nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif oder kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen bezahlen oder mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder einer kirchenarbeitsrechtlichen Regelung entlohnen.
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Die Bezahlung nach Tarif wird vollständig refinanziert. Für Einrichtungen, die nicht tarifgebunden sind, wird eine Refinanzierung bis zur Höhe von 10 Prozent über dem Durchschnitt der regional geltenden Tariflöhne gewährleistet.
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Um Pflegebedürftige vor Überforderung durch steigende Pflegekosten zu schützen, zahlt die Pflegeversicherung bei der Versorgung im Pflegeheim künftig neben dem nach Pflegegrad differenzierten Leistungsbetrag einen Zuschlag. Er steigt mit der Dauer der Pflege: Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5 % des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 %, im dritten Jahr 45 % und danach 70 %.
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In der ambulanten Pflege werden die Sachleistungsbeträge um 5 % erhöht, um auch dort den steigenden Vergütungen Rechnung zu tragen.
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Pflegefachkräfte erhalten mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl des richtigen Hilfsmittels und Pflegehilfsmittels im Sinne der Pflegebedürftigen. Außerdem sollen die Fachkräfte eigenständige Entscheidungen in der häuslichen Krankenpflege treffen dürfen.
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Es werden gesetzlich starke Anreize für den Ausbau der Kurzzeitpflege gesetzt. Um die Pflegebedürftigen nicht zu belasten, wird der Leistungsbetrag der Pflegeversicherung zur Kurzzeitpflege zudem um 10% angehoben. Außerdem wird ein neuer Anspruch auf eine bis zu zehntägige Übergangspflege im Krankenhaus eingeführt. Sie kann genutzt werden, falls im Anschluss an eine Krankenhausversorgung eine Pflege im eigenen Haushalt oder einer Kurzzeitpflege nicht sichergestellt werden kann.
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Zur Finanzierung der Pflegeversicherung wird ab dem Jahr 2022 ein Bundeszuschuss in Höhe von 1 Mrd. Euro pro Jahr einführt. Zudem steigt der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte.
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In Pflegeheimen wird künftig ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel gelten: Mit einem neuen Personalbemessungsverfahren wird anhand der jeweiligen Bewohnerstruktur für jedes Heim der Personalbedarf berechnet. Bereits seit 1. Januar 2021 können die Pflegeheime vor diesem Hintergrund 20.000 zusätzliche Pflegehilfskräfte einstellen. Ab 1. Juli 2023 werden bundeseinheitliche Personalanhaltszahlen vorgegeben, die die Einstellung von weiterem Personal ermöglichen.
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Die Gesetzlichen Krankenkassen erhalten 2022 einen zusätzlichen Bundeszuschuss in Höhe von 7 Milliarden Euro. Das ist nötig, um den Zusatzbeitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung auch 2022 stabil bei 1,3 Prozent zu halten. Damit leistet die GKV ihren Beitrag zur Einhaltung der Sozialgarantie der Bundesregierung, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auch 2022 unter 40 Prozent zu halten.
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Qualitätsverträge werden gestärkt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird verpflichtet, bis Ende des Jahres 2023 vier weitere Leistungen oder Leistungsbereiche festzulegen, bei denen die Qualitätsverträge erprobt werden.
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Die Festlegung und Durchsetzung von Mindestmengen in der Krankenhausversorgung wird durch weitere Verfahrensvorgaben unterstützt.
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Zur Förderung von Transparenz und Qualität der Versorgung wird die Veröffentlichung einrichtungsbezogener Vergleiche hinsichtlich der Erfüllung von Qualitätskriterien ermöglicht.
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Patientenbefragungen im Krankenhaus werden weiterentwickelt.
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Der Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung wird für weitere planbare Eingriffe, die der G-BA festzulegen hat, vorgesehen.
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Zur Förderung der Transparenz über den Pflegepersonaleinsatz in den Krankenhäusern werden die Pflegepersonalquotienten künftig auf der Internetseite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht.
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Die Refinanzierungsmöglichkeiten für klinische Sektionen zur Qualitätssicherung werden verbessert.
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Der Anteil der gesetzlichen Krankenversicherung (und anteilig der privaten Krankenversicherung) an der Finanzierung von ambulanten Krebsberatungsstellen wird verdoppelt, von einem Gesamtbetrag von derzeit bis zu 21 Millionen Euro auf bis zu 42 Millionen Euro jährlich.
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Die Regelungen zu ambulanten Notfallstrukturen und Terminservicestellen werden weiterentwickelt, insbesondere durch ein standardisiertes und bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren bei ambulanten ärztlichen Notfallleistungen in Krankenhäusern.
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Es wird ein Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung sowohl bei seltenen als auch bei onkologischen Erkrankungen implementiert. Grundlage des Modellvorhabens ist die umfangreiche Genomsequenzierung im Rahmen eines strukturierten klinischen Behandlungsablaufs und die darauf aufbauende Datenzusammenführung von klinischen und genomischen Daten in einer Dateninfrastruktur, die eine Analyse der gewonnenen Daten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung erleichtert.
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Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen beteiligen sich an der Finanzierung der Koordination von Aktivitäten in regionalen Hospiz- und Palliativnetzwerken.
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Erhebungen zu Gesundheitsausgaben und ihrer Finanzierung, zu Krankheitskosten und zum Personal im Gesundheitswesen sowie zu einem regionalem Gesundheitspersonalmonitoring werden als zentrale Bundesstatistiken angeordnet.
In einer begleitenden Entschließung mahnt der Bundesrat weitere Reformschritte an. Diese müssten unter Einbeziehung der Länder auf den Weg gebracht werden und insbesondere auch spürbare Entlastungen für die häusliche Pflege einschließen. Zur Finanzierung weiterer Reformschritte sei davon auszugehen, dass eine weitergehende Steuerfinanzierung zwingend zur Stabilisierung der Finanzierungsgrundlagen der Pflegeversicherung notwendig bleibt, betont der Bundesrat.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich damit befasst.
Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.06.2021,
Quelle: David Schneider, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht der Universität zu Köln