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Das Gesetz zur Anpassung der Betriebsratsvergütung – Alle Klarheiten beseitigt? (Gaul/Pitzer, ArbRB 2024)

Bundestag und Bundesrat haben jüngst die heftig diskutierte gesetzliche Neuregelung der Betriebsratsvergütung verabschiedet. Der Beitrag gibt einen Überblick über die gesetzliche Neuregelung, bewertet sie und gibt erste Umsetzungstipps. Wenngleich die Autoren Zweifel haben, ob die Betriebsratsvergütung nun tatsächlich – wie vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil angekündigt – „fair, nachvollziehbar und rechtssicher“ gestaltet ist, empfehlen sie der Praxis, die neuen Möglichkeiten zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen zu nutzen.


I. Inhalt der Gesetzesänderung

II. Anpassung des § 37 Abs. 4 BetrVG

1. Zeitpunkt der Vergleichsgruppenbildung 1

2. Neubildung der Vergleichsgruppe

a) Einordnung

b) Bewertung

c) Weitere Anwendungsfälle

3. Fehlen von Vergleichspersonen

a) Bewertung

b) Abstellen auf die „nächstvergleichbaren“ Arbeitnehmergruppen als Alternative?

4. Berücksichtigung von Fähigkeiten und Qualifikationen aus Betriebsratstätigkeit

5. Abschluss konkretisierender Betriebsvereinbarungen

a) Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer

aa) Eingeschränkte Überprüfbarkeit

bb) Beurteilungsspielraum

b) Festlegung von Vergleichspersonen

III. Anpassung des § 78 BetrVG

1. Konkrete Kriterien für eine benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltgewährung

2. Bewerbungen auf Stellen außerhalb der Zuständigkeit des Betriebsrats

3. Berücksichtigung von Fähigkeiten und Kenntnissen aus der Betriebsratstätigkeit

IV. Fazit


I. Inhalt der Gesetzesänderung

Ausgangspunkt der gesetzlichen Neuregelung war, dass am Ehrenamtsprinzip nicht gerüttelt werden sollte. Gleichzeitig sollten § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG geändert werden, ohne damit eine neue Linie zur Festlegung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern festzuschreiben. Vielmehr sollten die Änderungen nur klarstellender Natur sein, indem sie die Rechtsprechung des BAG in eine gesetzliche Regelung übernehmen oder durch das BAG aufgeworfene, aber noch nicht eindeutig entschiedene Fragen aufgreifen.

II. Anpassung des § 37 Abs. 4 BetrVG

1. Zeitpunkt der Vergleichsgruppenbildung


Nach § 37 Abs. 4 BetrVG kann eine Erhöhung der Vergütung eines Betriebsratsmitglieds wegen der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer geboten sein. Es bedarf daher zunächst der Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer. Als maßgeblichen Zeitpunkt legt das Gesetz in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG den Zeitpunkt der Amtsübernahme fest. Bis dahin ist das Betriebsratsmitglied noch vollumfänglich seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachgegangen.

Beraterhinweis Zum Zeitpunkt der Amtsübernahme sollte festgehalten werden, welche Arbeitnehmer mit dem Betriebsratsmitglied i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG vergleichbar sind. Diese Dokumentation sollte alle Betriebsratsmitglieder erfassen und fortlaufend aktuell gehalten werden. Nach Möglichkeit ist das jeweils betroffene Betriebsratsmitglied einzubeziehen, um späteren Streit zu vermeiden.

2. Neubildung der Vergleichsgruppe

Das Gesetz sieht jetzt ausdrücklich die Möglichkeit einer Neubestimmung der Vergleichsgruppe vor, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.[1] Ein solcher Grund kann ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf insbesondere der berufliche Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds sein.

a) Einordnung

Diese Neuregelung lehnt sich weder an bestehende Normen noch an die höchstrichterliche Rechtsprechung an. Sie ergibt sich auch nicht aus der in der Begründung des Gesetzentwurfs in Bezug genommenen Entscheidung des BAG vom 23.11.2022.[2] Hierin hat der 7. Senat des BAG lediglich festgestellt, dass sich ein Betriebsratsmitglied seiner Vergleichsgruppe begeben kann, wenn es mit dem Arbeitgeber in zulässiger Weise eine Vereinbarung schließt, die zu einer Änderung der für die (ursprüngliche) Vergleichbarkeit maßgeblichen Tätigkeit führt. Die Frage nach der Möglichkeit der Neubestimmung der Vergleichsgruppe stellte sich in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht.

b) Bewertung

Ungeachtet dessen ist die Möglichkeit, die Vergleichsgruppe neu zu bestimmen, zu begrüßen. So kann sichergestellt werden, dass auch Veränderungen zugunsten des Betriebsratsmitglieds Berücksichtigung finden und eine unzulässige Benachteiligung vermieden wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied diskriminierungsfrei eine Änderung der arbeitsvertraglichen Tätigkeit vereinbaren. Unabhängig davon, ob die neue Tätigkeit als höher- oder geringwertiger zu qualifizieren ist, muss bei der weiteren Entgeltentwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG an diese neue Tätigkeit angeknüpft werden.

Beraterhinweis Wird die arbeitsvertragliche Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds nach seiner Wahl begünstigungs- und benachteiligungsfrei verändert, (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.07.2024 09:54
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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