Otto Schmidt Verlag

EuG v. 27.6.2024 - C-284/23

EU-Parlament: Unzureichender Schutz von Hinweisgebern

Das EU-Parlament hat gegen bestimmte Schutzvorschriften im Zusammenhang mit dem Status eines parlamentarischen Assistenten als Hinweisgeber verstoßen. Weil das Parlament sich darauf beschränkt hat, den Betroffenen von seinen Aufgaben zu befreien, hat es nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um ihm einen ausgewogenen und effizienten Schutz vor jeder Form von Repressalien zu gewährleisten.

Der Sachverhalt:
Ein akkreditierter parlamentarischer Assistent im EU-Parlament meldete Fälle von Mobbing und finanzielle Unregelmäßigkeiten, die einen Europaabgeordneten involvierten. Er wurde einem anderen Europaabgeordneten zugewiesen und anschließend nach angeblichen Repressalien von seinen Aufgaben befreit.

Sein Vertrag wurde nicht verlängert. Der Assistent ging gegen diese Entscheidung und gegen die stillschweigende Ablehnung vor, seinen Status als Hinweisgeber anzuerkennen und ergänzende Schutzmaßnahmen in Bezug auf seine Aufgabenbefreiung zu erlassen. Der Betroffene forderte außerdem eine Entschädigung i.H.v. 200.000 € wegen Verstoßes gegen die Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebern und Verletzung der Vertraulichkeit seiner Identität. Das Parlament wies die Forderungen zurück. Daraufhin erhob der Betroffene Klage beim EuG.

Das EuG gab der Klage teilweise statt.

Die Gründe:
Die stillschweigende Entscheidung des Parlaments, keine ergänzenden Schutzmaßnahmen zu erlassen, war aufzuheben. Das Parlament wird zur Zahlung einer Entschädigung für den erlittenen Schaden i.H.v. 10.000 € an den Betroffenen verpflichtet.

Der Schutz von Hinweisgebern gilt automatisch für alle Personen, die potenziell rechtswidrige Tätigkeiten melden. Das Parlament war daher nicht verpflichtet, eine Entscheidung zu erlassen, mit der es anerkannte, dass der Betroffene den Status eines Hinweisgebers habe.

Allerdings hat das Parlament den Betroffenen nicht ordnungs- und fristgemäß über die Folgen seiner Meldungen unterrichtet. Wenn der Hinweisgeber glaubwürdige Anhaltspunkte dafür beibringt, dass er aufgrund der Maßnahme der Neuzuweisung einen Schaden erlitten hat, muss das Organ nachweisen, dass es seine Schutzpflicht ihm gegenüber erfüllt hat, indem er insoweit ausreichende Maßnahmen erlassen hat. Weiterhin muss das Organ alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Hinweisgebern einen ausgewogenen und effizienten Schutz vor jeder Form von Repressalien zu gewährleisten.

Da hier kein entsprechender Antrag von Parlamentsmitgliedern vorlag, stand zwar nach Ansicht des EuG die Nichtverlängerung des Vertrags des Betroffenen im Einklang mit den geltenden Vorschriften, da ein akkreditierter parlamentarischer Assistent mit dem oder den Abgeordneten, dem oder denen er assistiert, eine durch ein Vertrauensverhältnis gekennzeichnete Arbeitsbeziehung unterhält.

Weil das Parlament sich darauf beschränkte, dem Betroffenen mitzuteilen, dass die Aufgabenbefreiung die einzig vorstellbare Schutzmaßnahme sei, ist es jedoch den Nachweis schuldig geblieben, dass es alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dem Betroffenen nicht aufgrund seines Status als Hinweisgeber einen Schaden zuzufügen.

Das Parlament hat i.Ü. seine Vertraulichkeitspflicht verletzt, indem es ohne Zustimmung den Status des Betroffenen als Hinweisgeber offengelegt und ihn damit der Gefahr von Repressalien ausgesetzt hat.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Der sachliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes
Boris Dzida, ArbRB 2023, 370
ARBRB0061782

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.09.2024 17:32
Quelle: EuGH PM Nr. 139 vom 11.9.2024

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