Otto Schmidt Verlag

LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 6.8.2024 - 5 SLa 2/24

Höhergruppierung: Tätigkeiten einer Verwaltungskraft in einem Pflegeheim

Die Tätigkeiten einer Verwaltungskraft in einem Pflegeheim, der die mit der Bewohneraufnahme und -betreuung zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben und insbesondere die Abrechnung der erbrachten Leistungen übertragen sind, können einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden, der gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Sinne des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst erfordert. Das Eingruppierungsmerkmal "vielseitige Fachkenntnisse" fordert im Vergleich zu den "gründlichen Fachkenntnissen" eine Erweiterung des Fachwissens dem Umfang nach.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein Pflegeheim mit über 120 Plätzen. Sie bietet neben der Langzeitpflege auch eine vorübergehende Pflege an. Die Klägerin ist seit dem 1.10.2001 bei der Beklagten in Vollzeit in der Verwaltung tätig. Zuvor hatte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau für Organisation in einem Handwerksbetrieb absolviert. Laut Änderungsvertrag vom 11.3.2002 hat die Klägerin "Verwaltungsarbeit integriert mit sozialtherapeutischer Tätigkeit" zu leisten.

Seit 2015 richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach einem Haustarifvertrag, abgeschlossen mit der Gewerkschaft Verdi. Dieser verweist wiederum auf die jeweiligen Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD-VKA). Die Klägerin bezieht die Vergütung der Entgeltgruppe 5 TVöD-VKA. Die Tabellenentgelte entsprechen seit 2020 denen des TVöD-VKA.

Im November 2022 beantragte die Klägerin eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 7 TVöD-VKA, was die Beklagte ablehnte. Die Klägerin war der Ansicht, dass sie zu mindestens einem Fünftel selbstständige Leistungen im Sinne des Tarifvertrages erbringe. Insbesondere verfüge sie über einen weitreichenden Entscheidungsspielraum bei der Aufnahme neuer Bewohner/innen, bei denen sie eine Vorauswahl treffe, ohne dass der Letztentscheider hiervon noch Kenntnis erhalte. Ihre Tätigkeit erfordere gründliche und vielseitige Fachkenntnisse. Für die Abrechnung der Leistungen benötige sie Kenntnisse aus den SGB sowie der einschlägigen Verordnungen im Pflegebereich. Da die Stelle der Heimleitung über längere Zeit nicht bzw. nicht vollwertig besetzt gewesen sei, habe sie einen Teil dieser Aufgaben übernehmen müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise entsprochen und festgestellt, dass die Klägerin nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 4 TVöD-VKA zu vergüten ist. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
In der Entgeltgruppe 6 TVöD-VKA sind u.a. Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 eingruppiert, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert. Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet des Betriebes, bei dem die Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis der Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.

Das Eingruppierungsmerkmal "vielseitige Fachkenntnisse" fordert im Vergleich zu den "gründlichen Fachkenntnissen" eine Erweiterung des Fachwissens dem Umfang nach. Dies kann sich etwa aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich auf einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben. Denkbar ist zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränkt, in dem der Angestellte eingesetzt wird; jedoch reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus. Ein erweitertes Fachwissen kann durch Fortbildungen, aber auch durch eigenständiges Lernen und langjährige Erfahrungen auf einem Fachgebiet erworben werden.

Die der Klägerin übertragene Verwaltungstätigkeit erfordert nicht nur gründliche Fachkenntnisse kaufmännischer und leistungsrechtlicher Art, sondern angesichts der Vielschichtigkeit der übertragenen Aufgaben auch vielseitige Fachkenntnisse. Sie benötigt, um das Arbeitsergebnis zu erreichen, nicht nur Rechtskenntnisse aus dem Sozialrecht. Hierauf mag zwar der Schwerpunkt liegen; diese genügen allerdings nicht, um sämtliche verwaltungstechnischen Aufgaben zu erfüllen, die mit dem Heimaufenthalt der Bewohner verbunden und von der Klägerin zu erledigen sind.

Wenn einzelne Tätigkeiten mit Alltagswissen zu bewältigen sind, wie z.B. die Organisation der Ummeldung beim Einwohnermeldeamt, so bleiben dennoch zahlreiche andere Aufgaben, die weitere Fachkenntnisse auf verschiedenen Rechtsgebieten erfordern. Die Klägerin benötigt u.a. Fachkenntnisse aus dem BGB, wenn sie Fragen zu Vollmachten mit den Bewohnern bzw. deren Angehörigen erörtert und die Notwendigkeit solcher Vollmachten darstellt. Dabei geht es nicht um juristische Fachkenntnisse eines Volljuristen. Die Klägerin muss jedoch wissen, welche Unterlagen mit welchen Erklärungen das Heim benötigt und wie diese zu beschaffen sind. Sie muss wissen, welche Vorsorgemaßnahmen mit Blick auf den Nachlass im Falle des Versterbens notwendig sind, und dies den Betroffenen erläutern können.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.09.2024 15:12
Quelle: Landesrecht M-V

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