ArbG Gera v. 27.11.2024 - 4 Ga 11/24
Kein besonderer Weiterbeschäftigungsanspruch nach verhaltensbedingter Kündigung
Der Widerspruchsgrund nach § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG regelt, dass der Betriebsrat der Kündigung widersprechen kann, wenn der zu entlassende Arbeitnehmer nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen weiterbeschäftigt werden könnte. Insofern fehlt es an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats, wenn der Arbeitgeber überzeugend darlegt, dass der verhaltensbedingte Kündigungsgrund durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen nicht entfallen kann.
Der Sachverhalt:
Der Kläger lebt in einer festen Beziehung und hat zwei Kinder. Er ist seit 2007 bei der Beklagten im Außendienst beschäftigt und verdiente zuletzt rund 7.278 € brutto im Monat. Am 1.11.2023 hatte die Arbeitgeberin eine verhaltensbedingte Abmahnung gegen ihn ausgesprochen. Es folgte zunächst eine Gegendarstellung und im Dezember 2023 ein Performance-Gespräch. Im Zuge dessen wurde dem Kläger der Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten, der eine Abfindung i.H.v. 100.000 € vorsah. Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen.
Am 27.3.2024 hat die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers mit Hinweis auf die verhaltensbedingten Gründe angehört. Am 3.4.2024 hat der Betriebsrat der Kündigung widersprochen. Die Begründung wurde auf den Widerspruchsgrund nach § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG gestützt. Danach kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen, wenn der zu entlassende Arbeitnehmer nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen weiterbeschäftigt werden könnte. Die ordentliche Kündigung ist dem Kläger dennoch am 10.04.2024 zugegangen und sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2024 beenden. Hiergegen hat der Kläger eine Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht anhängig ist. Kammertermin ist auf den 29.1.2025 bestimmt.
Mit Schreiben vom 9.10.2024 hat der Kläger seine Weiterbeschäftigung über den 31.10.2024 hinaus zu unveränderten Bedingungen verlangt, was die Beklagte ablehnte. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er war der Ansicht, der Widerspruch des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Widerspruchstatbestände des § 102 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG typischerweise auf eine betriebsbedingte Kündigung bezögen, könne für die (nicht gerechtfertigte) verhaltensbedingte Kündigung wohl kaum eine im Vergleich zur Stellungnahme des Betriebsrats weitergehende Argumentation gefordert werden.
Das Arbeitsgericht hat die Verfügungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Es liegt kein Verfügungsanspruch vor, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung aus § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Danach muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen, wenn der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist und der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen hat. Doch an einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats gegen die allein auf Gründe im Verhalten des Verfügungsklägers gestützte ordentliche Kündigung fehlte es hier.
Der Betriebsrat hatte seinen Widerspruch ausdrücklich auf § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG gestützt. Hierzu hat die Beklagte überzeugend ausgeführt, dass durch Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen der verhaltensbedingte Kündigungsgrund nicht entfallen könne. Darüber hinaus beschäftigte sich die Stellungnahme des Betriebsrats zunächst mit der aus seiner Sicht ungerechtfertigten Abmahnung. Der Betriebsrat hat selbst festgestellt, dass er zu den neuerlichen verhaltensbedingten Vorwürfen nichts sagen kann, weil er die dargestellten Sachverhalte nicht überprüfen konnte.
Der von der BAG-Rechtsprechung entwickelte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch stand zwischen den Parteien nicht im Streit. Die ausgesprochene Kündigung war auch nicht offensichtlich unwirksam. Insofern muss der Kläger das erstinstanzliche Urteil im Kündigungsrechtsstreit abwarten.
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