ArbG Berlin v. 5.12.2024, 58 Ca 4568/24
Abmahnung eines Mitglieds der ver.di-Betriebsgruppe wegen Schmähkritik im Internet rechtmäßig
Überschreitet eine öffentlich im Internet geäußerte Kritik nach Anlass, Kontext und Zweck die Grenze auch polemischer bzw. überspitzter Kritik, handelt sich um eine vom Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Absatz 1 GG nicht gedeckte Schmähkritik. Eine solche Schmähkritik durch ein Mitglieds der ver.di-Betriebsgruppe ist auch nicht vom Schutzbereich des Art. 9 Absatz 3 GG erfasst.
Der Sachverhalt:
Das klagende Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe steht in einem Arbeitsverhältnis zur beklagten Freien Universität Berlin und ist freigestelltes Personalratsmitglied. Der Vorstand der Betriebsgruppe hatte Ende Januar 2024 auf der eigenen Internetpräsenz einen Aufruf zur Teilnahme an einem Aktionstag u.a. gegen die AfD veröffentlicht. Darin hieß es aber auch über die beklagte Universität, sie halte Tarifverträge nicht ein, gliedere Tätigkeiten unterer Lohngruppen mit einem hohen Anteil migrantischer Beschäftigter aus, bekämpfe Mitbestimmung und demokratische Prozesse, und gewerkschaftliche Organisierung sei ihr ein Dorn im Auge. Damit fördere die Universität den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD.
Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin Anfang März 2024 eine Abmahnung. Zur Begründung führte sie aus, in den zitierten Passagen liege eine ehrverletzende Kritik, die eine Verletzung der Treue- und Loyalitätspflicht im Arbeitsverhältnis darstelle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Entfernung der Abmahnung abgewiesen.
Die Gründe:
Die Abmahnung gegenüber dem Kläger wegen des Aufrufs im Internet war rechtmäßig.
Es besteht ein hinreichender Bezug des Aufrufs zum Arbeitsverhältnis der Parteien. Seine Nebenpflicht zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis hat der Kläger und Arbeitnehmer durch den Aufruf verletzt. Zwar konnte wegen der enthaltenen wertenden Elemente von einer Meinungsäußerung ausgegangen werden. Diese überschritt jedoch nach Anlass, Kontext und Zweck die Grenze auch polemischer bzw. überspitzter Kritik. Es handelt sich vielmehr um eine vom Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Absatz 1 GG nicht gedeckte Schmähkritik. Für die erhobenen Vorwürfe fehlen realistische Anhaltspunkte. So ist etwa die Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten im Öffentlichen Dienst üblich.
Außerdem sind die Äußerungen auch nicht aufgrund der in Art. 9 Absatz 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit gerechtfertigt. Die Werbung zur Teilnahme an dem Aktionstag war ebenso wenig Gegenstand des abgemahnten Verhaltens wie die Äußerungen in Bezug auf die Bundesregierung. Allein die Schmähkritik bezogen auf die Universität wurde hier abgemahnt. Eine solche Schmähkritik ist nicht vom Schutzbereich des Art. 9 Absatz 3 GG erfasst.
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