Otto Schmidt Verlag

BAG v. 20.8.2024 - 9 AZR 259/23

Kostenbeteiligung bei Pilotenausbildung - Risiko einer wertlosen Teilschulung

Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Juni 2017 bei der Beklagten als Pilot beschäftigt. Seine fliegerische Grundschulung hatte er auf der Grundlage eines im Juni 2009 abgeschlossenen Schulungsvertrags bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten begonnen. Gleichzeitig schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag über 60.000 € ab. Das Darlehen war vollständig und ausschließlich für die Zahlung des Eigenanteils des Klägers an den Ausbildungskosten i.H.v. 60.000 € vorgesehen. Der Kläger setzte seine Ausbildung nach der Grundschulung fort, nachdem die Parteien im April 2012 einen weiteren Schulungsvertrag geschlossen hatten. Die Schulungskosten betrugen 55.000 €. Hierzu war geregelt, dass der Kläger zur Zahlung der angefallenen Schulungskosten verpflichtet sei, wenn er ein Arbeitsvertragsangebot nicht annehme, oder er den Arbeitsvertrag vor Ablauf eines Beschäftigungsjahres beende.

Der Kläger war der Ansicht, nicht zur Rückzahlung des zum Zweck der Finanzierung seiner Schulung zum Piloten gewährten Darlehens verpflichtet zu sein. Der Darlehensvertrag zum Schulungsvertrag benachteilige ihn unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Beide Verträge bildeten ein rechtlich einheitliches Vertragskonstrukt, bei dem ihm aufgrund der bei Vertragsabschluss noch geltenden Operatorbindung das Kostenrisiko für eine wertlose Teilschulung auferlegt worden sei. Zudem führe die Regelung zur Kostentragung zu einer unzulässigen Bindung des Klägers an das Vertragsverhältnis mit der Beklagten bzw. ihrer Konzernunternehmen und verletze das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Beklagte war der Auffassung, die vom Kläger in Anspruch genommenen Schulungsleistungen seien werthaltig und hätten ihm Vorteile auf dem Markt eröffnet. Angesichts der Kosten von 110.000 bis 140.000 € für eine vergleichbare Pilotenschulung auf dem allgemeinen Markt sei eine Kostenbeteiligung von 60.000 € nicht unangemessen. Der Darlehensvertrag sehe auch keine unzulässige Bindungsfrist an die Beklagte vor. Dem Kläger habe es freigestanden, einen Anstellungsvertrag mit einer anderen Fluggesellschaft abzuschließen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Rückzahlung der bereits gezahlten 19.607 € stattgegeben. Das LAG hat die Entscheidung bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Zwar hatte das LAG zunächst zutreffend erkannt, dass Schulungsvertrag und Darlehensvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden. Es hatte auch ohne Rechtsfehler erkannt, dass der einheitliche Vertrag einer AGB-Kontrolle anhand der Vorgaben in § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen war. Allerdings beruhte die Annahme des LAG, die Bestimmungen in § 10 Abs. 1 des Schulungsvertrags und zur Rückzahlungspflicht in § 3 des Darlehensvertrags benachteiligten den Kläger unangemessen, auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Vereinbarungen über die Beteiligung eines Arbeitnehmers an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Dies gilt auch für Klauseln, die eine unbedingte Kostenbeteiligung zum Gegenstand haben (BAG 5.9.2023 – 9 AZR 350/22; 25.1.2022 – 9 AZR 144/21). Das LAG ist danach rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger werde unangemessen benachteiligt, weil er auch dann zur Rückzahlung verpflichtet sei, wenn die Beklagte ihm nach Abschluss der Grundschulung aus betrieblichen Gründen (§ 13 Abs. 2 des Schulungsvertrags) keine Folgeschulung anbiete. Bei der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen hat es übersehen, dass in diesem Fall der Rückzahlungsverzicht nach § 5 Abs. 6 des Darlehensvertrags greift (BAG 5.9.2023 – 9 AZR 350/22).

Entgegen der Auffassung des LAG trägt der Vertragspartner der Beklagten kein unmittelbares wirtschaftliches Risiko, wenn ihm keine „weiteren Schulungen“ nach § 13 des Schulungsvertrags angeboten werden. Bis zu dem Angebot, ihn in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist der Vertragspartner nicht zur Rückzahlung verpflichtet. § 3 Abs. 1 des Darlehensvertrags bestimmt, dass die Darlehensforderung für die Schulungsdauer und darüber hinaus bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer innerhalb oder außerhalb des Konzerns zins- und tilgungsfrei gestellt wird. Auch danach setzt die Rückzahlungspflicht nicht ein, bevor nicht dem Piloten, der auch die Phasen 3 und 4 der Schulung erfolgreich absolviert hat, ein Arbeitsvertrag angeboten wird (BAG 5.9.2023 – 9 AZR 350/22).

Schließlich hielt auch die Ansicht des LAG, der zufolge im Rahmen der Gesamtabwägung der wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen sei, dass durch den Darlehensvertrag ein unzulässiger „Bleibedruck“ ausgeübt werde, einer revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Die Ausbildungskosten für den zweiten Schulungsteil konnten nicht in die Angemessenheitskontrolle einbezogen werden. Der Vertrag wurde im April 2012 und damit deutlich nach dem ersten Schulungsvertrag und dem Darlehensvertrag aus Juni 2009 abgeschlossen. Er stellte einen selbständigen Vertrag mit einer eigenständigen Rückzahlungsregelung dar. Auf die Kostenregelung in der erst später getroffenen Regelung kam es nicht an. Auszugehen war bei der AGB-Kontrolle von den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BAG 18.3.2008 – 9 AZR 186/07). Soweit das LAG angenommen hatte, dass während der „Bindungsdauer“ der Piloten, der die Grundausbildung durchlaufen hat, „wegen des Rückzahlungsrisikos anderweitigen Zwischenverdienst nicht erzielt“, war dies in dieser Pauschalität unzutreffend.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.01.2025 17:03
Quelle: BAG online

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