Otto Schmidt Verlag

LAG Berlin-Brandenburg v. 17.1.2025 - 12 Sa 102/24

Muss ehemaliger Leiharbeitnehmer Tätigkeitsnachweise herausgeben?

Bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verpflichtung, die geleistete Arbeit zu dokumentieren oder dokumentieren zu lassen, handelt es sich um einen Teil der angewiesenen Arbeitsleistung, die wegen des Charakters der Arbeitspflicht als Fixschuld mit Zeitablauf untergehen und die deshalb nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt werden kann.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin verleiht Arbeitnehmer. Der Beklage ist Elektrotechniker und war bei ihr seit Januar 2022 als Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen, zuletzt bei 41 Wochenstunden und einem Bruttostundenlohn von 16 €. Im Arbeitsvertrag ist die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen vereinbart unter Erstreckung jeder Verlängerung auf beide Vertragsparteien. Außerdem heißt es dort u.a. in

„§ 5 Vergütung, Vergütungsnachweis, …

... 4. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich zum Nachweis der geleisteten Stunden diese wöchentlich von einem befugten Vertreter des Entleihbetriebes auf dem dafür vorgesehenen Tätigkeitsnachweisformular unterschriftlich und gestempelt bestätigen zu lassen. …“


Von Mai 2022 an hatte die Klägerin den Beklagten als Leiharbeitnehmer bei der Firma G. eingesetzt. Den Vertrag mit der Firma G. kündigte die Klägerin zum 6.10.2022. Mit Schreiben vom 3.5.2022 hatte sich der Anwalt des Beklagten an die Klägerin gewandt und sie auf ein Kündigungsschreiben des Beklagten vom 10.4.2022 hingewiesen, wodurch das Arbeitsverhältnis zum Ende Mai 2022 beendet worden sei.

Der Beklagte schloss mit der Firma G. einen Arbeitsvertrag mit Beginn ab 1.6.2022. Bis zum 30.9.2022 erbrachte er Arbeitsleistungen für die Firma G. Am 17.6.2022 erklärte der Beklagte die „nochmalige und vorsorgliche“ ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber der Klägerin. Diese stellte gegenüber der Firma G. Rechnungen für den Einsatz des Beklagten aus. Die Rechnungen wurden nicht beglichen.

Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten die Herausgabe von Tätigkeitsnachweisen für Juni bis September 2022 gerichtlich geltend gemacht und für den Fall der Nichtherausgabe solcher Tätigkeitsnachweise die Zahlung von Schadensersatz. Sie meinte, der Beklagte, der eine dreimonatige Kündigungsfrist zu beachten gehabt habe, habe das Arbeitsverhältnis erst zum 30.9.2022 gekündigt. Das Kündigungsschreiben aus April 2022 habe sie nicht erhalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Herausgabe der Tätigkeitsnachweise verlangen.

Bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verpflichtung, die geleistete Arbeit zu dokumentieren oder dokumentieren zu lassen, handelt es sich um einen Teil der angewiesenen Arbeitsleistung, die wegen des Charakters der Arbeitspflicht als Fixschuld mit Zeitablauf untergehen und die deshalb nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt werden kann. Die im Vertrag genannte Sanktion bezieht sich auf den Arbeitsentgeltanspruch des Klägers. Hieraus kann für das Fortbestehen der Verpflichtung nichts hergeleitet werden.

Eine Dokumentationspflicht des Beklagten hätte zur Voraussetzung, dass er überhaupt in dem fraglichen Zeitraum als Leiharbeitnehmer der Klägerin bei der Firma G. tätig geworden wäre. Ansonsten fehlte es an geleisteten Stunden im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, die auf dem Tätigkeitsformular nachzuweisen sein würden. Vorliegend hatte der Beklagte aber ab Juni 2022 aufgrund eines unmittelbar mit der Firma G geschlossenen Arbeitsvertrags für diese gearbeitet. Arbeitsleistungen als Leiharbeitnehmer hat er nicht erbracht. Eine Verpflichtung zur Einholung eines Null-Stunden-Nachweises würde keinen Sinn machen.

Auch den geltend gemachten Schadensersatz kann die Klägerin nicht beanspruchen. Zum einen hat sie einen Schaden nicht hinreichend dargestellt. Die Herleitung der Forderungen aus dem Verleihvertrag und der Nichterbringung seiner Arbeitsleistung durch den Beklagten hat die Klägerin nicht erläutert. Zum anderen hätte die Klägerin das ersparte Arbeitsentgelt berücksichtigen müssen, das sie bei einer Erfüllung des Leiharbeitsvertrags in den Monaten Juni bis September 2022 an den Beklagten hätte zahlen müssen. Ihr Schaden bestünde nicht in den ausgebliebenen Zahlungen der Firma G. In einer Gegenüberstellung zu den Kosten einschließlich des dann entstehenden Arbeitsentgeltanspruchs des Beklagten hätte sie den entgangenen Gewinn darstellen müssen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.01.2025 16:10
Quelle: Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank

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