BAG v. 24.9.2024 - 1 ABR 31/23
Versetzung: Kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei Verwendung von Personalfragebögen
Verwendet der Arbeitgeber im Rahmen eines Auswahlverfahrens Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze oder Auswahlrichtlinien, denen der Betriebsrat nicht zuvor zugestimmt hat, begründet dies keinen Zustimmungsverweigerungsgrund i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG bei einer beabsichtigten Versetzung.
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin unterhält eine Gießerei, in der etwa 970 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dort ist der beteiligte Betriebsrat gebildet. Im Frühjahr 2022 hatte die Arbeitgeberin die Stelle eines Koordinators Elektrotechnik ausgeschrieben. Hierauf bewarben sich vier Arbeitnehmer, mit denen die Personalabteilung in Person von B. und Ö. Bewerbungsgespräche führten. Frau B. machte sich während der Gespräche handschriftliche Notizen in – jeweils inhaltsgleichen – Interviewbogen. Im Nachgang zu den Gesprächen füllten beide gemeinsam für jeden Bewerber einen Interviewbogen digital aus.
Man entschied sich für G., der bislang in der Abteilung Elektrotechnik als Elektriker beschäftigt war. Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat unter Vorlage der digital ausgefüllten Interviewbogen um Zustimmung, was dieser verweigerte. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, die Zustimmung sei gerichtlich zu ersetzen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden. Ein Grund, die Zustimmung zu verweigern, bestehe nicht. Der Betriebsrat meinte, die Arbeitgeberin habe ihm nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Hierzu gehörten auch die handschriftlichen Notizen von B. Jedenfalls lägen Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG vor. Die von der Arbeitgeberin verwendeten Interviewbogen hätten seiner Mitbestimmung bedurft.
Das Arbeitsgericht hat den – dort in der Hauptsache angebrachten – Antrag der Arbeitgeberin auf Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, abgewiesen. Dem hilfsweise gestellten Zustimmungsersetzungsantrag hat es jedoch stattgegeben. Das LAG hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Auch die Rechtsbeschwerde vor dem BAG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Die Zustimmung des Betriebsrats ist zu ersetzen.
Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat ordnungsgemäß i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist (BAG v. 13.12.2023 – 1 ABR 28/22). Danach genügte die Unterrichtung den gesetzlichen Vorgaben.
Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat über die beabsichtigte Versetzung des G, den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz, die vorgesehene Entgeltgruppe und die Auswirkungen der Maßnahme im Betrieb informiert. Sie hatte ihre Auswahlentscheidung zudem im Einzelnen begründet und dem Betriebsrat – dem die eingereichten Bewerbungsunterlagen aller vier Bewerber über ein gemeinsames Laufwerk zur Verfügung standen – die digital ausgefüllten Interviewbogen vorgelegt. Anhand dieser Informationen konnte der Betriebsrat – anders als er meinte – ausreichend prüfen, ob ein Verweigerungsgrund i.S.v. § 99 Abs. 2 BetrVG vorlag. Weitere Darlegungen zur Gewichtung der verschiedenen Antworten, zur Punktevergabe und zu den Beurteilungsmaßstäben waren nicht erforderlich.
Entgegen der Annahme des Betriebsrats war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, ihm die handschriftlichen Notizen von B. zu überlassen. Die Auswahl des zu versetzenden Arbeitnehmers aus dem Kreis der Bewerber erfolgte ausschließlich auf der Grundlage der nach den Gesprächen digital ausgefüllten Interviewbogen. Die von B. während der Bewerbungsgespräche verfassten Notizen waren deshalb für die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin irrelevant.
Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Dies steht aufgrund der präjudiziellen Wirkung der insoweit rechtskräftigen (§ 322 Abs. 1 ZPO) Entscheidung des Arbeitsgerichts, mit der es den erstinstanzlichen Hauptantrag der Arbeitgeberin auf eine entsprechende Feststellung abgewiesen hat, bindend fest. Die Zustimmung des Betriebsrats ist jedoch zu ersetzen. Zustimmungsverweigerungsgründe sind nicht gegeben. Verwendet der Arbeitgeber im Rahmen eines Auswahlverfahrens Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze oder Auswahlrichtlinien, denen der Betriebsrat nicht zuvor zugestimmt hat, begründet dies keinen Zustimmungsverweigerungsgrund i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG bei einer beabsichtigten Versetzung.
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Aufsatz
Bernd Schiefer
Rechtsprechungsübersicht zum Kollektivarbeitsrecht
DB 2022, 2540
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