LAG Köln v 28.1.2025 - 9 TaBV 89/24
Kompetenzkonflikt zwischen Gesamt- und Konzernbetriebsrat hinsichtlich eines Fragebogens zu Compliance-Maßnahmen
Der Gesamtbetriebsrat kann wegen offenkundiger Unzuständigkeit nicht gem. § 100 ArbGG die Einsetzung einer Einigungsstelle hinsichtlich des Inhalts und der Nutzung eines Personalfragebogens durchsetzen, wenn der Fragebogen nach Konzernvorgaben unternehmensübergreifend eingeführt wird. In diesem Fall ist dem Arbeitgeber eine Regelung auf der Unternehmensebene subjektiv unmöglich.
Der Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen eines weltweit agierenden Konzerns. Innerhalb des Konzerns wird eine „Conflict of interest global policy“ verfolgt. Auch allen Unternehmen des Teilkonzerns in Deutschland wurde in Umsetzung der konzernweiten Richtlinien von der Leitung des Teilkonzerns vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer und Bewerber zur Ermittlung etwaiger Interessenkonflikte unter Beachtung welcher Verfahrensschritte wie zu befragen sind. Bestandteil der Anweisung waren ein in englischer Sprache verfasster Fragebogen sowie Vorgaben zu dessen Verwendung. Dementsprechend führte die Arbeitgeberin nach Übersetzung des Fragebogens sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form ein „Vereinfachtes Formular zur Erklärung von Interessenkonflikten“, ohne den Gesamtbetriebsrat beteiligt zu haben.
Der Gesamtbetriebsrat war der Ansicht, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG zustehe. Der Personalfragebogen enthalte Fragen, die Aufschluss über die Person des jeweiligen Arbeitnehmers gäben. Es müsse zwingend eine einheitliche inhaltliche Regelung getroffen werden, ab wann von einem Interessenkonflikt ausgegangen werden könne, und welche Arbeitnehmergruppen überhaupt in die Gefahr von Interessenkonflikten gelangen könnten.
Der Gesamtbetriebsrat hat u.a. beantragt, eine Einigungsstelle mit der Regelungsthematik „Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung über den Inhalt und die Nutzung eines Fragebogens zur Erklärung von Interessenkonflikten“ zu bestellen. Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dass das Mitbestimmungsrecht nicht auf Ebene des Gesamt- sondern auf der des Konzernbetriebsrats liege. Die Feststellung von Interessenkonflikten und der entsprechende Datenabgleich könnten nur konzernweit einheitlich erfolgen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Gesamtbetriebsrats zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem LAG erfolglos.
Die Gründe:
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle abgelehnt.
Eine Regelung durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte ist nicht möglich, da der Fragebogen nach Konzernvorgaben unternehmensübergreifend eingeführt wird und der Gesamtbetriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht aus § 94 BetrVG zur Einführung eines Personalfragebogens hat. Er kann die Einführung von Personalbogen nach § 92 Abs. 2 BetrVG lediglich vorschlagen. Beschließt eine unternehmensübergeordnete Konzernstelle die unternehmensübergreifende Einführung und Nutzung eines Fragebogens, gibt sie damit zugleich die Ebene vor, auf der sie die Einführung und Nutzung des Fragebogens regeln will (vgl. BAG, Urt. v. 9.11.2021 – 1 AZR 206/20; BAG, Urt. v. 19.6.2007 – 1 AZR 454/06).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Arbeitgeberin eine Regelung auf der Unternehmensebene unmöglich ist. Denn mit dem Begriff des Nichtregelnkönnens i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist nicht nur die objektive, sondern auch die subjektive Unmöglichkeit gemeint. Eine solche subjektive Unmöglichkeit ist dann anzunehmen, wenn eine auf die einzelnen Unternehmen beschränkte Regelung deshalb nicht möglich ist, weil nicht die Arbeitgeberin, sondern eine übergeordnete Konzernstelle den Regelungsgegenstand so vorgegeben hat, dass eine Regelung nur unternehmensübergreifend erfolgen kann.
Insofern ist anerkannt, dass das Mitbestimmungsrecht bei einheitlichen Fragebogen für mehrere Konzernunternehmen dem Konzernbetriebsrat zusteht. Dass die Arbeitgeberin den in englischer Sprache abgefassten Fragebogen für ihre Arbeitnehmer erst noch übersetzt hatte, spielte insoweit keine Rolle. Maßgeblich war allein, dass sein Inhalt und seine Nutzung durch den Konzern vorgegeben waren.
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Aufsatz
Bernd Schiefer
Rechtsprechungsübersicht zum Kollektivarbeitsrecht
DB 2022, 2540
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