Otto Schmidt Verlag

LG Stralsund v. 10.3.2025 - 2 O 54/24

Zurückweisung wegen Verspätung und Maklercourtage für Vermittlung eines Arbeitnehmers

Ein erstmaliges beklagtenseitiges Bestreiten einer bereits im Anspruchsbegründungsschriftsatz ausdrücklich aufgestellten klägerischen Behauptung der Ortsüblichkeit und Angemessenheit eines Honorars erst unmittelbar vor Schluss des Verhandlungstermins ist verspätet; dies hat zur Folge, dass es - ohne Ermessensspielraum für das Gericht - auf der Grundlage des § 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen ist, die Ortsüblichkeit und Angemessenheit also prozessual weiter als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO) und damit keines Beweises bedarf (§ 288 Abs. 1 ZPO).

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um eine von der Klägerin geltend gemachte Provision für die Vermittlung eines Arbeitnehmers. Die Klägerin betreibt u.a. von einer Zweigniederlassung in Stralsund aus sowohl die gewerbliche Überlassung von eigenen Arbeitnehmern (Arbeitnehmerüberlassung) als auch die Vermittlung von Arbeitnehmern an andere Arbeitgeber. Der Beklagte betreibt ein Einzelunternehmen ebenfalls in Stralsund Die Parteien waren zumindest ursprünglich durch einen "Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag" miteinander verbunden. Die Klägerin geht überdies von der Einbeziehung ihrer AGB in den Rahmenvertrag aus.

Am 28.12.2023 stellte ein Mitarbeiter der Klägerin (Zeuge) dem Beklagten bzw. dem im Unternehmen des Beklagten tätigen Sohn des Beklagten einen möglichen Kandidaten (A) für eine Arbeitnehmerüberlassung oder eine Vermittlung vor. A ging schlussendlich zu Beginn des Jahres 2024 tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten ein. Mit Schreiben vom 17.1.2024 legte die Klägerin für die Vermittlung des A gegenüber dem Beklagten mit Zahlungsfrist bis zum 24.1.2024 Rechnung. Zahlungen leistete der Beklagte hierauf nicht.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung der Vermittlungsprovision. Sie ist der Ansicht, dass es auf den Rahmenvertrag vorliegend nicht ankomme. Der Beklagte sei durch die Beschäftigten der Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Vermittlungstätigkeit provisionspflichtig sei. Das abgerechnete und nunmehr eingeklagte Honorar sei ortsüblich und angemessen.

Das LG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Beklagte schuldet das mit der Klage geltend gemachte Maklerhonorar nach Grund und Höhe aus §§ 652 Abs. 1 Satz 1, 653 Abs. 2 BGB.

Letztlich ist auch ohne den hier insgesamt nicht ausschlaggebenden Rahmenvertrag davon auszugehen, dass spätestens und jedenfalls in Gestalt der persönlichen Vorstellung des durch den Zeugen avisierten und begleiteten A beim Beklagten bzw. bei dessen Sohn am 28.12.2023 schlüssig ein entgeltlicher Maklervertrag geschlossen worden ist, sodass der unstreitig in der Folge zwischen dem Beklagten und A abgeschlossene Arbeitsvertrag als sog. Hauptvertrag eine Vergütungspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin begründet hat.

Unter den gegebenen Umständen musste der Beklagte tatsächlich schon unabhängig von einem ausdrücklichen Hinweis auf eine bzw. auf gerade seine Vergütungspflicht die Klägerin bzw. den für die Klägerin aufgetretenen Zeugen objektiv dahingehend verstehen, dass ihm der Abschluss eines für ihn selbst vergütungspflichtigen Maklervertrages angeboten wird. Die vorbehaltlose Inanspruchnahme der Vermittlungsleistung der Klägerin durch den Beklagten durfte und musste die Klägerin aus objektiver Sicht wiederum als entsprechende Annahme verstehen, womit nach Maßgabe der §§ 145 ff. BGB ein entgeltlicher Maklervertrag - schon ohne Zuhilfenahme von § 653 Abs. 1 BGB, hilfsweise aber jedenfalls auf seiner Grundlage - zu Stande gekommen ist, der die Klageforderung zunächst dem Grunde nach trägt. Dass die betreffenden Absprachen nicht mit dem Beklagten selbst, sondern mit dessen Sohn erfolgt sind, ändert mit Blick auf §§ 164 Abs. 1 Satz 1, 166 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB nichts.

Hinsichtlich der konkreten Anspruchshöhe war der eingeklagte Betrag als (orts-) übliches angemessenes Honorar für die Maklerleistung gem. § 653 Abs. 2 BGB antragsgemäß zuzusprechen. Das erstmalige beklagtenseitige Bestreiten der bereits im Anspruchsbegründungsschriftsatz ausdrücklich aufgestellten klägerischen Behauptung der Ortsüblichkeit und Angemessenheit des Honorars erst unmittelbar vor Schluss des Verhandlungstermins ist verspätet; das hat zur Folge, dass es - ohne Ermessensspielraum für das Gericht - auf der Grundlage des § 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen ist, die Ortsüblichkeit und Angemessenheit also prozessual weiter als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO) und damit keines Beweises bedarf (§ 288 Abs. 1 ZPO). Die dem Beklagten mit Verfügung vom 17.5.2024 unter ausdrücklichem Hinweis u.a. auf § 296 Abs. 1 ZPO gesetzte Klageerwiderungsfrist (§ 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nämlich bereits seit Langem abgelaufen; damit war das Bestreiten verspätet.

Das für die Zurückweisung weiter erforderliche (einfache) Verschulden des Beklagten an der Verspätung wird in Anbetracht der insofern eindeutigen wörtlichen Fassung von § 296 Abs. 1 a.E. ("entschuldigt") i.V.m. Abs. 4 ZPO widerleglich vermutet. Auch die weiter notwendige Verzögerung liegt vor. Auf der Grundlage des herrschenden - vom Gericht geteilten - absoluten Verzögerungsbegriffs gilt dies schon deshalb, weil ein Eintritt in eine Beweisaufnahme zur Anspruchshöhe jetzt mindestens einen weiteren Termin erfordern würde. Aber selbst auf der Basis des weitaus großzügigeren relativen Verzögerungsbegriffs läge hier eine Verzögerung vor, weil unter der Prämisse, dass der Beklagte die Ortsüblichkeit und Angemessenheit des Honorars bereits innerhalb der Klageerwiderungsfrist bestritten hätte, bis zum Verhandlungstermin zwanglos das bereits in der Anspruchsbegründungsschrift durch die Klägerin vorsorglich angebotene Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden können.

Und selbst wenn die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO hier nicht vorgelegen hätten, bliebe das Ergebnis gleich, weil das Gericht unter den gegebenen Umständen das (orts-) übliche angemessene Honorar i.S.d. § 653 Abs. 2 BGB nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne Beweisaufnahme schätzen kann und der hier gewählte Ansatz von zwei Monatsgehältern im Rahmen einer solchen Schätzung keinen Bedenken begegnet.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.03.2025 22:37
Quelle: Landesrecht M-V

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