LAG Köln v. 28.1.2025 - 7 SLa 378/24
Lohnabrechnungen stellen regelmäßig keine rechtsgestaltenden Willenserklärungen dar
Eine Lohnabrechnung stellt regelmäßig nur eine Wissenserklärung, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Der Arbeitnehmer kann aus diesen Mitteilungen nicht ohne weiteres ableiten, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung i.S. eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses. Bei Irrtum kann grundsätzlich keine Seite die andere am Inhalt der Mitteilung festhalten.
Der Sachverhalt:
Der 51-jährige Kläger ist seit 2000 als Flugbegleiter bei der Beklagten, einem großen deutschen Luftfahrtunternehmen, beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 5.040 €. Er ist mit einem Grad von 100 schwerbehindert und seit dem 31.5.2022 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger war bis dahin Mitglied der Gruppenvertretung für den Bereich Kabine und als solcher ab Juni 2017 von seiner beruflichen Tätigkeit vollständig freigestellt. Zudem war er seit 2017 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen. Auf das Arbeitsverhältnis findet u.a. der „Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 2 für das Bordpersonal der D L Aktiengesellschaft“ (TV-PV) Anwendung.
Die Mitarbeiter der Beklagten erhalten nach mehr als 70 Flugstunden im Monat eine Mehrflugstundenvergütung. Vollfreigestellte Mitglieder der Gruppenvertretung Kabine erhalten grundsätzlich keinen Einsatzplan. Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit sind sie nicht im fliegerischen Dienst im Einsatz. Zum Ausgleich einer eventuellen Einkommensminderung aufgrund von fehlenden tatsächlichen Mehrflugstunden erhalten sie von der Beklagten aufgrund einer internen Verfahrensanweisung eine sog. Mehrflugstundenausgleichszulage.
Die Beklagte erteilte dem Kläger – nachdem dieser im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens obsiegt hatte – für August 2023 eine Abrechnung, die auf der Grundlage von Neuberechnungen seiner Vergütung seit Mai 2022 basierte. Sie beinhaltete eine Gutschrift von 6.977 €. Für September 2023 fertigte die Beklagte eine abermals korrigierte Abrechnung, die eine Neuberechnung seit Mai 2021 und eine Nachforderung i.H.v. 5.819 € zu Lasten des Klägers beinhaltete. Die Krankenkasse des Klägers forderte 2.233 € von ihm. Der Kläger war der Ansicht, dass sich die Beklagte an ihre eigene Abrechnung für August 2023, nach der sie ihm 6.977 € schulde, festhalten lassen müsse. Eine Erklärung für die anschließende Korrektur habe sie nicht geliefert. Durch dieses rechtswidrige Verhalten sei es zu einer Rückforderung der Krankenkasse gekommen, für die die Beklagte aufkommen müsse.
Das Arbeitsgericht hat die auf Nachzahlung gerichtete Klage abgewiesen. Das LAG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 6.977 €. Hierfür gibt es keine Anspruchsgrundlage. Zwar wies die dem Kläger zunächst für August 2023 erteilte Lohnabrechnung diesen Betrag aus, aber zum einen stellt eine Lohnabrechnung keine Anspruchsgrundlage dar, zum anderen war diese Lohnabrechnung, die auf mehreren Rückrechnungen basierte, offensichtlich falsch.
Eine Lohnabrechnung stellt regelmäßig lediglich eine Wissenserklärung, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Der Arbeitnehmer kann aus diesen Mitteilungen nicht ohne weiteres ableiten, es handele sich um eine auf Bestätigung oder gar Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses. Die Lohnabrechnung hat nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Bei Irrtum kann grundsätzlich keine Seite die andere am Inhalt der Mitteilung festhalten.
Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadenersatz i.H.v. 2.233 € aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder einer anderen Rechtsnorm aufgrund der Nachzahlung an die Krankenkasse. Der insoweit darlegungs- und beweisbelaste Kläger hatte die Anspruchsvoraussetzungen nicht schlüssig dargelegt. Es fehlte bereits die ordnungsgemäße Darlegung einer Pflichtverletzung und eines Schadens.
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