LAG Köln v. 11.2.2025 - 7 Sa 635/23
Freundin während der Arbeitszeit besucht: Ersatz von Detektivkosten nach fristloser Kündigung wegen Arbeitszeitverstößen
Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer den Ersatz notwendiger Detektivkosten verlangen, wenn sich bei der Überwachung der Verdacht auf Arbeitszeitverstöße durch den Arbeitnehmer bestätigt, die eine fristlose Kündigung nach sich gezogen haben.
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung sowie über die Erstattung von Detektivkosten.
Der Kläger ist seit April 2009 bei dem beklagten Verkehrsunternehmen als Fahrausweisprüfer angestellt. Im Juli 2022 wurde der Beklagten von Seiten des bei ihr tätigen Sicherheitsunternehmens zugetragen, es bestünden Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung sowie die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Klägers. So wurde u.a. berichtet, der Kläger habe während der Arbeit Zeit im Fitness-Studio, in der Moschee, beim Friseur oder bei privaten Fotoshootings verbracht. Daraufhin beauftragte die Beklagte eine Detektei, um den Kläger überwachen zu lassen. Nach einer zunächst unregelmäßig an einzelnen Tagen erfolgten Observierung, die den Verdacht erhärten konnten, folgte eine andauernde Überwachung über einen Zeitraum von zwei Wochen. Diese ergab, dass der Kläger sich während seiner Arbeitszeit mehrfach (ohne Pauseneintrag im Arbeitszeiterfassungssystem) bei seiner Freundin oder in Bäckereien/Cafés aufhielt. Mehrfach machte er längere Pausen als von ihm eingetragen wurde.
Der Kläger wurde zu dem Vorwurf des fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs im Beisein von Arbeitgebervertretern und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden angehört. In der Folge kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage. Er habe keinen Arbeitszeitbetrug begangen; das Zeiterfassungssystem habe nicht zuverlässig funktioniert und er habe in der Moschee und in Bäckereien Teambesprechungen durchgeführt. Aufgrund eines Verstoßes gegen die DSGVO und gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestehe ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Die Beauftragung eines Detektivs sei nicht notwendig gewesen. Die Beklagte beantragte widerklagend die Erstattung der Detektivkosten i.H.v. rd. 21.600 €.
Das ArbG wies die Klage ganz überwiegend ab und gab der Widerklage statt. Die Berufung des Klägers hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die außerordentliche Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang beendet.
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber.
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist ein wichtiger Grund für die Kündigung des Klägers gegeben. Denn der Kläger hat verschiedenen Tagen erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht in dem Zeiterfassungssystem dokumentiert, wozu er aufgrund der Betriebsvereinbarung und einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht jedoch verpflichtet war. Das ArbG hat etwa rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger am 9.12.2022 rd. 40 Minuten lang in der Wohnung seiner Freundin privaten Tätigkeiten nachgegangen ist, ohne dies als Pausenzeit zu erfassen. Es ist auszuschließen, dass er dort Fahrkarten kontrolliert hat. Dass er in der Wohnung eine andere Arbeitsleistung erbracht hat, ist nicht ersichtlich.
Das ArbG ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Observation des Klägers durch die Detektei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig war und ein Beweisverbot nicht besteht. Die Überwachung des Klägers durch Detektive, die beobachten, fotografieren und dokumentieren, sowie die Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug stellen zwar einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser Eingriff ist aber von geringer Intensität, weil er nur während seiner Schichtzeiten im öffentlichen Verkehrsraum über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt ist und praktisch nur das dokumentiert wurde, was jeder beliebige Passant ebenfalls hätte wahrnehmen können. Eine vom Kläger angeführte "Orwell‘sche Überwachung" lag mitnichten vor.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten i.H.v. rd. 21.600 € netto aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB. Nach BAG-Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind.
Mehr zum Thema:
Aufsatz
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Jörg Laber, ArbRB 2023, 278
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Rechtsprechung
Schadensersatz bei unzulässiger Überwachung durch eine Detektei während Arbeitsunfähigkeit
BAG vom 25.07.2024 - 8 AZR 225/23
Detlef Grimm / Sebastian Krülls, ArbRB 2024, 356
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