Otto Schmidt Verlag

BAG v. 6.3.2025 - 2 AZR 115/24

Durfte der WEG-Verwalter dem Hausmeister kündigen?

Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht eines Verwalters einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern für Rechtsgeschäfte gegenüber einem Wohnungseigentümer ist nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unwirksam, soweit dieser der Gemeinschaft wie ein Außenstehender gegenübertritt.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Der Kläger gehört ihr als Wohnungseigentümer an. Zudem war er seit Dezember 2021 als Hausmeister bei der Beklagten angestellt. Diese beschäftigt regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Verwalterin der Beklagten kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.12.2022 zum 31.1.2023. Im dagegen geführten Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien am 10.2.2023 einen Vergleich. Danach leitete die Beklagte aus dieser – ersten – Kündigung keine Rechte mehr her.

Mit Schreiben vom 26.4.2023 kündigte die Verwalterin das Arbeitsverhältnis namens der Beklagten „form- und fristgerecht“ zum 28.5.2023. Der Kläger wies diese Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original zurück und bestritt, dass ein Beschluss der WEG vorangegangen sei, der die Verwalterin zur Kündigung ermächtigte. Die Kündigung sei treuwidrig i.S.v. § 242 BGB und verstoße gegen Art. 30 GRC.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26.4.2023 nicht zum 28.5.2023, sondern erst zum 31.5.2023 aufgelöst worden war. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BAG erfolglos.

Die Gründe:
Die streitbefangene Kündigung war wirksam. Die Verwalterin hat die Kündigung nicht unter Verstoß gegen § 180 Satz 1 BGB ohne Vertretungsmacht erklärt. Diese folgte aus § 9b Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG. Die Vorschrift erfasst auch die Kündigung von Arbeitsverträgen. Die gesetzliche Vertretungsmacht der Verwalterin war nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG nicht wirksam beschränkbar.

Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG hat der Verwalter grundsätzlich eine gegenüber jedermann unbeschränkte Vertretungsmacht. Sie gilt sowohl für Verträge als auch für einseitige Rechtsgeschäfte. Der Abschluss und die Kündigung von Arbeitsverträgen setzen zu ihrer Wirksamkeit nicht einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraus. § 9b Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 WEG gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich für den Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags. Entgegen der Annahme des Klägers gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber insoweit auch den Abschluss oder zumindest die Kündigung von Arbeitsverträgen erfassen wollte.

Es sprach viel dafür, dass es im Streitfall schon deshalb bei der grundsätzlich unbeschränkten Vertretungsmacht der Verwalterin gem. § 9b Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG verblieben ist, weil die Wohnungseigentümer keine Regelung zur Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht i.S.v. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG getroffen hatten. § 9b Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG differenziert beim Umfang der Vertretungsmacht nicht zwischen „Dritten“ und „Nichtdritten“. Diese Unterscheidung findet sich erst in § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG. Daraus folgt, dass eine Beschränkung des Umfangs der – grundsätzlich unbeschränkten – Vertretungsmacht zwar gegenüber „Nichtdritten“ wirksam erfolgen kann, eine solche Beschränkung aber durch die Gemeinschaftsordnung oder doch einen Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen muss. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG lässt den Wohnungseigentümern für die Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen zu „Nichtdritten“ Dispositionsfreiheit, die sie nutzen können, aber auch nutzen müssen.

Die Wohnungseigentümer hatten es hinsichtlich der streitbefangenen Kündigung bei der gesetzlichen Regelung zur Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin in § 27 Abs. 1 WEG belassen und keinen einschränkenden Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG gefasst. Deshalb war die bestehende Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin nicht gegenüber dem gesetzlichen Regelfall beschränkt. Allemal dürfte es an einer entsprechenden, die Vertretungsmacht der Verwalterin i.S.v. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG einschränkenden Regelung gefehlt haben. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, in der Entscheidung der Wohnungseigentümer, es bei der gesetzlichen Regelung zur Geschäftsführungsbefugnis der Verwalterin zu belassen, habe zugleich eine Beschränkung des Umfangs von deren unbeschränkter Vertretungsmacht auf Rechtsgeschäfte i.S.v. § 27 Abs. 1 WEG gelegen, wäre diese Einschränkung gegenüber dem Kläger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der WEG nach § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unwirksam. Insoweit stand er der Beklagten nämlich als „Dritter“ gegenüber.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.04.2025 12:42
Quelle: BAG online

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