Das AGG ist nun schon fast sechs Jahre alt. Trotzdem finden sich immer wieder Prozesse, die die Notwendigkeit des Gesetzes bestätigen und bei denen man sich nur wundern kann, warum es dazu gekommen ist. Ein solcher Fall ist beim ArbG Krefeld (Az. 2 Ca 993/12) anhängig: Ein Unternehmen schaltete eine Stellenanzeige, in der sie „2 Verkaufsberater (m/w)“ im Außendienst suchte. In der Anzeige wurde formuliert:
„Das erwarten wir von Ihnen:
–Â Â Â Â Â Â Â Â Â Sie sind motiviert, flexibel und zwischen 25 und 35 Jahre alt
–         Arbeits- und Ausbildungsniveau: mittlere/höhere Schul- bzw. Berufsbildung
–Â Â Â Â Â Â Â Â Â Sie denken und handeln unternehmerisch, zielgerichtet und selbstsicher
–         Erfahrungen im Vertrieb…..“
Der Kläger – gelernter Kaufmann – verfügt über einschlägige Berufserfahrung seit Oktober 1974 und gab an, seit 1982 im Vertrieb bzw. im Verkauf tätig gewesen zu sein. Er bewarb sich auf die Stelle und gab unter Verweis auf seine bisherige berufliche Laufbahn an, dass er die Anforderungen „als Vertriebsprofi“ erfülle. Nicht mal zwei Wochen nach Absendung seiner Bewerbung wurde ihm mit dem Hinweis der anderweitigen Stellenbesetzung abgesagt.
Mit dieser auf das Alter als Auswahlkriterium offen hinweisenden Stellenanzeige indiziert die Beklagte eine Diskriminierung (§ 22 AGG). Gegenüber den Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG hatte die Beklagte zwar eingewandt, es habe an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung gemangelt und der Kläger sei auch nicht qualifiziert gewesen. Sonst hatte sie nicht Substantiiertes dazu vorgetragen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat (§ 22 AGG). Das alles hat das Arbeitsgericht offenbar nicht überzeugt.  Es prüft nun aber, ob der Kläger – was von Arbeitnehmern oftmals in der Praxis versäumt wird – seinen Anspruch in der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (2 Monate) geltend gemacht hat. Das muss der Bewerber beweisen, was er hier möglicherweise nicht konnte.
Eine Einigung konnte im Gütetermin nicht erzielt werden, der Kläger hatte 32.000,00 € Schadensersatz und Entschädigung verlangt. Man wird abwarten, was das Arbeitsgericht Krefeld im Kammertermin am 10.08.2012 entscheidet. Der Rechtsstreit zeigt in jedem Fall zweierlei: Arbeitgeber müssen die Vorgaben des Antidiskriminierungsrechts im Recruitment ernst nehmen, wollen sie nicht schon durch diskriminierende Stellenanzeigen die – im Endergebnis kaum widerlegbare – Vermutung des § 22 AGG auslösen. Auf der anderen Seite macht der Rechtsstreit deutlich, dass trotz der mit dem AGG angestrebten „Bewusstseinsveränderung“ nach sechs Jahren eine Diskriminierung wegen Alters zumindest in bestimmten Branchen bzw. Tätigkeitsfeldern (z.B. Vertrieb) (noch) verbreitet ist.
Nachtrag vom 3.7.2012: Der Kläger hat die Klage zurückgenommen, weil er wohl innerhalb der gesetzlichen Frist der Beklagten ein Anspruchschreiben hat zustellen lassen, dieses aber nicht unterzeichnet war. Es fehlte an der Schriftform nach § 15 Abs. 4 AGG.
2 Kommentare
Der Inhalt der Stellenanzeige entspricht fast genau einem Fall den das LAG Baden-Württemberg zu entscheiden hatte.Dieses hat dem dortigen Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3000,- EUR zugesprochen (LAG Baden-Württemberg vom 20.03.2009 -9 Sa 5/09-). Der Kläger dürfte gute Erfolgsaussichten haben, wenn er die Ausschlussfrist gewahrt hat.
Eigentlich müsste man nach Darwin auf 320.000 Euro wegen Dummheit des Arbeitgeber plädieren, um es einmal unanwaltlich zu sagen.
In der Sache halte ich aber allein aus Gründen der Abschreckung eine grds. Inansatznahme von prognostoschen 3 Bruttogehältern für sinnvoll.
Morgen ist übrigens ein mdl., Verhandlung beim BAG in einer AGG-Sache wegen Diskriminierung wg. ethnischer Herkunft.