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Kettenbefristung und Rechtsmissbrauch

avatar  Martin Reufels

In vielen Branchen ist es üblich, mit denselben Arbeitnehmern immer wieder hintereinander mit sachlichem Grund befristete Arbeitsverträge zu schließen. Diese Kettenbefristungspraxis ist nicht im Grundsatz rechtswidrig. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 26. Januar 2012 – C 586/10 in dem Verfahren Kücük bestätigt. Allerdings hatte der EuGH darauf hingewiesen, dass die nationalen Gerichte „alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände“ berücksichtigen müssten, da sich hieraus ein Hinweis auf Missbrauch ergeben könnte.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr in einem Urteil vom 18. Juli 2012 (7 AZR 432/09) Gelegenheit, sich mit den Begründungsansätzen des EuGH-Urteils zu befassen. Das Bundesarbeitsgericht geht auf die Rechtsprechung des EuGH ein und betont, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegen eines sachlichen Grundes rechtsmissbräuchlich sein kann, und zwar wegen rechtsmissbräuchlicher Ausnutzung einer an sich prinzipiell eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit. Dies folge aus den sich aus Treu und Glauben ergebenden Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Zwar seien an einen solchen Rechtsmissbrauch hohe Anforderungen zu stellen. Interessant ist aber, dass dieser Gesichtspunkt vom Bundesarbeitsgericht überhaupt herausgearbeitet wird; er war in der bisherigen Befristungsrechtsprechung in dieser klaren Form nicht zum Ausdruck gelangt.

Klägerin war eine Arbeitnehmerin, die beim Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage von 13 befristeten Arbeitsverträgen im Amtsgericht Köln tätig war. Als Befristungsgrund zog das Land immer die Vertretung anderer Justizangestellten in Elternzeit oder in Sonderurlaub heran. Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Aufklärung zurück, merkte aber an, dass die Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen dafür spreche, dass das Land die an sich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt habe.

Arbeitgeber werden in der Zukunft also bei längeren „Kettenbefristungen“ vorsichtiger sein müssen.

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 21.7.2012 um 17:29 | Permalink

    Bemerkenswert ist die Pressemitteilung des BAG – die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor – aus 2 Gründen:

    In der Vergangenheit hatte das BAG verschiedentlich ausgeführt, dass die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers über das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Befristung des Arbeitsvertrages steigen, je häufiger der Arbeitsvertrag bereits zuvor befristet worden war. Ob daran festgehalten wird und werden kann, erscheint nunmehr fraglich.

    Das BAG scheint Dauer und Häufigkeit der Befristungen als Indiz für einen institutionellen Rechtsmißbrauch anzusehen mit der Folge, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Indizwirkung durch Sachvortrag zu erschüttern hat. Es bleibt abzuwarten, ob es eine weitere Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für „erforderlich“ hält.

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