Otto Schmidt Verlag

ArbRB-Blog

Nach Diktat außer Haus

avatar  Detlef Grimm

Die Frage der Lesbarkeit anwaltlicher Unterschriften unter bestimmende Schriftsätze (Berufungsschrift, Berufungsbegründungsschrift) beschäftigt die Rechtsprechung schon lange. Der BGH hat sich in einem Beschluss vom 26.7.2012 (III ZB 70/11) mit einer weiteren Facette zu beschäftigen gehabt.

Am Ende einer Berufungsbegründungsschrift fand sich maschinenschriftlich der Vor- und Nachname des Prozessbevollmächtigten und die Bezeichnung „Rechtsanwalt“. Neben dem Schriftsatz war mit Schreibmaschine vermerkt: „nach Diktat außer Haus“. Darunter folgte dann ein nicht lesbarer Schriftzug, unter den „Rechtsanwalt“ angebracht war. Das Berufungsgericht hatte – nach einem entsprechenden Hinweis – die Berufung als unzulässig verworfen, weil weder auf dem Fax noch auf dem Original der Berufungsbegründung eine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen sei. Auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergebe sich nicht, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Ein Namensstempel der  – wie sich herausgestellt hatte – unterzeichnenden Rechtsanwältin sei nicht angebracht gewesen, außerdem sei diese nicht auf dem Briefbogen verzeichnet gewesen.

Auf die Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs.1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) führt der BGH seine bisherige Rechtsprechung fort. Ein – über eine Paraphe hinausgehender – Schriftzug stellt jedenfalls auch dann eine Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO dar, wenn der Schriftzug zwar unleserlich ist, jedoch seine individuellen charakteristischen Merkmale die Wiedergabe eines Namens – selbst wenn dieser auch nicht lesbar ist – erkennen lassen. Dabei kommt es – wohl entgegen einer älteren Entscheidung des 11. Zivilsenats vom 17.11.2009 (XI ZB 6/09) – nicht darauf an, dass die Paraphe (schon) bei Ablauf der Frist identifizierbar ist. Es genügt nach Ansicht des 3. Zivilsenats, wenn eine zum Zeitpunkt des Fristablaufs objektiv mögliche Identifizierbarkeit besteht, wenn diese also auch noch nach Ablauf der Frist – wie hier – nachgeholt werden kann. Im aktuell entschiedenen Fall war dem Berufungsgericht der Personalausweis der den Schriftsatz unterzeichnenden Anwältin vorgelegt worden. In Ãœbereinstimmung mit einem Beschluss des 7. Zivilsenats (Beschl. v. 26.4.2012 – VII ZB 83/10) sei – so der 3. Senat – für die Prüfung der Identität und Postulationsfähigkeit des Unterzeichners nicht der Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist maßgebend, sondern der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung.

Diese Grundsätze seien auch dann anwendbar, wenn ein Schriftsatz von einem Rechtsanwalt für einen anderen unterzeichnet werde, der „nach Diktat außer Haus“ sei. Dadurch werde durch den für den ortsabwesenden Rechtsanwalt unterzeichnenden Rechtsanwalt erkennbar in Wahrnehmung des Mandats der Prozesspartei die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernommen.

Auf der Grundlage des Beschluss des 3. Zivilsenats wird man annehmen können, dass Unklarheiten über die Identität des einen Schriftsatz unterzeichnenden Rechtsanwalts noch nachträglich beseitigt werden können. Noch besser ist es, solche Unklarheiten durch Anbringung eines identifizierenden Namenszusatzes von Anfang an zu vermeiden.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.