Das ArbG Frankfurt am Main hat am 16.8.2012 (12 Ca 8341/11) entschieden, dass die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) den klagenden Fluggesellschaften, die von Streikankündigungen gegenüber der Deutschen Flugsicherung insoweit betroffen waren, als aufgrund der angekündigten Streiks zahlreiche Passagiere ihre Flüge storniert hatten, nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist. Nunmehr liegen die Entscheidungsgründe vor.Â
Die angekündigten Streiks hatten sich gegen den Tarifvertragspartner, die Deutsche Flugsicherung, gerichtet, nicht gegen die klagenden Fluggesellschaften. Damit liegt nach Ansicht des ArbG kein betriebsbezogener Eingriff in deren Flugbetriebe vor. Ein betriebsbezogener Eingriff muss seiner objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Auch muss ihm eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen. Dies hat das ArbG vorliegend  verneint.
Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der angekündigten Streiks für die Deutsche Flugsicherung nach § 32 Abs. 4 LuftVG das sog. „Vollkostendeckungsprinzip“ galt, nach dem die anfallenden Kosten durch Gebühren zu decken waren, die die Fluggesellschaften zu entrichten hatten, führt nach Ansicht des ArbG ebenfalls nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Fluggesellschaften.
Die rechtswidrigen Streikforderungen verstießen zwar gegen die Bestimmungen des MTV zwischen der GdF und der Deutschen Flugsicherung für deren Beschäftigte. Bei den klagenden Fluggesellschaften handelt es sich jedoch nach Ansicht des ArbG nicht um vom Schutzzweck der Normen des MTV erfasste Dritte. Die relative Friedenspflicht erfasse lediglich die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder. Sie diene dem Schutz des Tarifvertrages als einer Friedensordnung für den durch ihn gegenständlich erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens. Zu dem vom MTV erfassten und geregelten Bereich des Arbeitslebens zähle aber nicht der Flugbetrieb der Klägerinnen.
Das Urteil wird wohl nicht rechtskräftig werden. Das Ergebnis bereitet Unbehagen, sofern auch die Deutsche Flugsicherung unter dem Gesichtspunkt der sog. Drittschadensliquidation keinen Schadensersatzanspruch hat. Dieses Rechtsinstitut soll nur die ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers durch eine zufällige Schadensverlagerung verhindern, so dass der Schaden zumindest auch bei dem Gläubiger entstehen können muss und nicht ausschließlich bei dem Dritten. Das ist unter Berücksichtigung des „Vollkostendeckungsprinzips“ nicht der Fall.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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