Beim Arbeitsgericht Bonn (3 Ca 685/13, Gütetermin am 5.9.2013) verklagt ein 66 Jahre alter und seit über 30 Jahren für eine ARD-Rundfunkanstalt als freier Mitarbeiter tätiger Journalist, der „u.a. mit satirischen Kommentaren bekannt geworden“ ist,  diese auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG i.H.v. mindestens 25.000,00 € wegen Altersdiskriminierung. Ihm war Ende 2012 mitgeteilt worden, dass die bisherige Zusammenarbeit wegen des Erreichens der gesetzlichen Grenze für die Regelaltersrente (§ 35 SGB VI in der Fassung) des RV Altersgrenzenanpassungsgesetzes (§§ 235 ff SGB VI) nicht mehr fortgesetzt werde.
Der Anwendungsbereich des AGG erstreckt sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG auch auf die Entlassungsbedingungen und damit auf Altersgrenzen. Auch Selbständige schützt das Gesetz, wenn sie arbeitnehmerähnliche Personen sind. Das sind sie, wenn sie wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit einem Arbeitnehmer ähnlich sind, § 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG. Diese Formulierung entspricht § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit begründet.
Das BAG hatte sich schon mehrfach mit der Zulässigkeit von Altersgrenzen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen befasst und diese als zulässig angesehen (zuletzt das Urteil des BAG v. 05.03.2013 – 1 AZR 417/12 zu Altersgrenzen der Betriebsvereinbarungen sowie die Rechtsprechung in der Nachfolge der Entscheidung des EuGH im Urteil v. 12.10.2010 – Rs. C 45/09 Rosenbladt, ArbRB 2010, 327 (Werxhausen)). Es hat herausgestellt, dass die Tarifvertragsparteien sozial- und beschäftigungspolitische Ziele im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und 2 der RL2000/78/EG verfolgen können. Das gilt auch für die Betriebsparteien, vgl. BAG 05.03.2013, aaO. Nach der Richtlinie können Mitgliedstaaten Ungleichbehandlungen wegen des Alters festlegen, wenn sie objektiv und angemessen sind und im Namen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind. Es handele sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungspolitik und -verteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden solle. Die Prüfungskompetenz, ob eine Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG verfolgt, obliegt den nationalen Gerichten (EuGH, Urteil vom 18.11.2010 – C 250/09 und C 268/09 – „Georgiev„, Rn. 43). Im deutschen Recht sind Altersgrenzenvereinbarungen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG angesprochen.
Der Satiriker beruft sich darauf, dass das AGG nur für Arbeitnehmer, die Altersrente in Anspruch nehmen können, Altersgrenzen ermögliche, nicht aber für freie Mitarbeiter. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG sieht „eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann;“ als zulässige unterschiedliche Behandlung an. Maßgeblich ist also nicht der Arbeitnehmerbegriff, sondern – entsprechend dem weit gefassten persönlichen Anwendungsbereich und der diesbezüglichen Definition des „Beschäftigten“ in § 6 Abs. 1 AGG – der Beschäftigtenbegriff, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zur Berufsausbildung Beschäftigten und arbeitnehmerähnliche Personen einschließlich der Heimarbeiter als Beschäftigte ansieht (sowie, der Vollständigkeit halber hier erwähnt, auch die Bewerberinnen und Bewerber hierfür und die Rentnerinnen und Rentner, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG).
Nun knüpft § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG an eine „Vereinbarung“, also an eine einzelvertragliche, tarifvertragliche oder durch Betriebsvereinbarung geregelte Altersgrenze an. Bei der „einfachen“ Nicht-Weiterbeschäftigung eines freien Mitarbeiters fehlt es an einer solchen Altersgrenzenvereinbarung. Maßgeblich ist also der allgemeine Begriff einer „unterschiedlichen Behandlung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG. Diese unterschiedliche Behandlung kann sich ungeachtet des § 8 AGG nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen. Geht es um das Ausscheiden von Arbeitnehmern mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze kann man aus meiner Sicht die Wertung des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, der auf die Möglichkeit, eine Regelaltersrente beantragen zu können, abstellen. Hier stellt sich das Problem, dass ein Selbständiger – ist er nicht in einem Versorgungswerk versichert, wie das vor allem bei freien Berufen der Fall ist – regelmäßig keinerlei Rentenansprüche hat. So argumentiert auch der Kläger. Die „Palacios“-Entscheidung des EuGH vom 16.10.2007, Rs. C-411/05 (NZA 2007, 1219), verlangte noch das tatsächliche Erreichen einer Altersrente, um einen Ausgleich mit den Interessen des Beschäftigten zu gewährleisten. „Rosenbladt“ hatte daran schon nicht mehr festgehalten, was in der „Hörnfeldt“-Entscheidung des EuGH vom 05.07.2012, Rs. C-141/11, NZA 2012, 785, bestätigt worden war.
Auch aus Sicht des BAG genügt die abstrakte Erreichbarkeit eines gesetzlichen Rentenanspruchs, wobei es auf die konkrete wirtschaftliche Absicherung bei Erreichen der Altersgrenze nicht ankommt (BAG, 18.06.2008, NZA 2008, 1302; BAG, 08.12.2010, NZA 2011, 586). Das stellt die Arbeitsmarktpolitik als legitimes Ziel in den Vordergrund, wenn die Vertragsbeendigungen gesamtgesellschaftlich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beitragen. Auch der geordnete Rahmen für die Personalplanung und eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und die Nachwuchsförderung rechtfertigen Altersgrenzen und damit die Beendigungen von Anstellungsverhältnissen, wie das BAG zuletzt im Urteil vom 05.03.2013 – 1 AZR 417/12, Rn. 46 herausgestellt hat. Das spricht m.E. dafür, auch freie Mitarbeiter ohne Altersversorgung bei Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze zulässigerweise aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu lassen, sei es durch ausdrückliche Vereinbarung, sei es durch schlichte „Nicht-Verlängerung“ der jeweiligen Dienst- bzw. Werkverträge.