Die Debatte über das Recht der Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst zu regeln, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, ist noch nicht zu Ende. Der EGMR hatte mit seinen Entscheidungen v. 3.2.2011 („Siebenhaar“ – 18136/02, NZA 2012,199), v. 23.9.2010 („Obst“ – 425/03, NZA 2011,277 u.“ Schüth“ – 1620/03, NZA 2011,279) den „Takt“ vorgegeben. Verstöße gegen zentrale Ge- oder Verbote ihrer Glaubens- und Sittenlehre, gleich ob der evangelischen („Siebenhaar“), der katholischen („Schüth“) oder der Mormonenkirche („Obst“), können danach auch künftig kündigungsrelevant sein. Die deutschen Gerichte sind aber verpflichtet, das Interesse der Kirchen auf Schutz ihrer Glaubwürdigkeit und die Interessen der bei ihnen Beschäftigten zu einem „fairen Ausgleich“ zu bringen (2. LS EGMR v. 23.9.2010 „Obst“, aaO.)
Das hat das BAG aufgegriffen und betont (BAG v. 25.4.2013 – 2 AZR 299/12, ArbRB online), dass der Kirchenaustritt eines im sog. verkündungsnahen Bereich in einer Kinderbetreungsstätte beschäftigten Sozialpädagogen ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein könne. Die Caritas als Trägerin der Einrichtung hatte die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgesprochen. Die Kündigungsschutzklage blieb auch beim BAG erfolglos. Der Wechselwirkung von kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und den Grundrechten der Arbeitnehmer, neben Art.2 und 12 auch Art 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- u. Religionsfreiheit), sei durch eine Güterabwägung im Rahmen der kündigungsrechtlichen Bestimmungen Rechnung zu tragen( vgl. 2. OS). Im Fall des Kirchenausstritts sei dabei dem Sebstverständnis der Kirchen besonderes Gewicht beizumessen.
Auch die Instanzgerichte sehen in den – teilweise auch bewusst falsch und einseitig rezipierten – Urteilen des EGMR kein Kündigungshemmnis bei solcher Art von Verstößen. So hat das LAG Hamm kürzlich in einem Kündigungsschutzprozess eine ordentliche Kündigung als sozial gerechtfertigt angesehen, die eine kath. Kirchengemeinde ihrem Kantor, Organisten und Chorleiter,(KOCH), augesprochen hatte, weil er nachdrücklich an einem außerehelichen „geschlechtlichen“ Verhältnis mit einem weiblichen Chormitglied des von ihm geleiteten Chors festhielt (Urt. v. 14.6.2013 – 10 Sa 18/13, nv., n.rkr, AZ b. BAG: 2 AZR 661/13). Ein wesentliches Kriterium im Rahmen der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sei auch nach der Rechtsprechung des EGMR das Ausmaß der Gefährdung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Arbeitgebers. Eine unbegrenzte Fortsetzung der ehebrecherischen Beziehung würde den Verkündungsauftrag der kath. Kirche und deren Glaubwürdigkeit ernsthaft gefährden und den Eindruck erwecken, die Kirche nehme ihre Glaubensgrundsätze und ihren Verkündungsauftrag nicht mehr ernst (u. Hinw. auf LAG Hamm v. 17.2.2012 – 18 Sa 867/11, ArbRB online).
Der EGMR auch in der „Lesart“ des BAG und der Instanzgerichte (w.Nachw. b. LAG Hamm v. 14.6.13) hat also keineswegs das Kündigungsrecht der Kirchen wesentlich beschnitten, sondern fordert im Rahmen ihres Ermessens eine Güterabwägung zwischen den gegenläufigen Interessen. Dann halten die Entscheidungen der deutschen Gerichte auch zugunsten kirchlicher Arbeitgeber einer Prüfung im Lichte der EMRK stand.
Und das sollten alle an einem solchen Fall Beteiligten wissen und beachten.