Fehler bei der Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote garantieren dauerhaft die Versorgung themensuchender Blogger. Das BAG hat sich in einem Urteil vom 15.1.2014 (Az. 10 AZR 243/13) wieder mit einem geradezu klassischen Fehler zu beschäftigen gehabt.
Eine nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarung enthielt die Regelung:
„Die Firma verpflichtet sich, dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung zu zahlen, die in ihr Ermessen gestellt wird.“
Nachdem das Arbeitsverhältnis durch die Beklagte gekündigt geworden war, hatte der Kläger erklärt, sich an das vertragliche Wettbewerbsverbot zu halten. Er erwarte daher die Zahlung der monatlichen Karenzentschädigung. Die Beklagte focht daraufhin nicht nur den Arbeitsvertrag an, sondern erachtete auch das Wettbewerbsverbot als nichtig, weil es unbestimmt sei. In jedem Fall sei es unverbindlich. Hilfsweise – wenn das alles rechtlich nicht verfange – nehme man eine Ermessensausübung vor und wolle auf dieser Grundlage allenfalls 20 % des letzten Entgelts als Karenzentschädigung zahlen.
Der Kläger hatte mit seiner auf Zahlung von Karenzentschädigung gerichteten Klage Erfolg. Zwar seien Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, nichtig (BAG, 28.6.2006, 10 AZR 407/05). Hier sei aber eine Karenzentschädigung – wenn auch eine in das Ermessen des Beklagten gestellte – vereinbart worden. Eine unbillige Ermessensfestsetzung hätte durch die Gerichte gem. § 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB kontrolliert werden können, so dass dem Kläger in jedem Fall eine Karenzentschädigung gewährt werden würde. Auch das Schriftformerfordernis – der Beklagte hatte dies auch gerügt – sei eingehalten. Zur Einhaltung sei nicht notwendig, dass die Karenzentschädigung der Höhe nach bereits festgelegt sein müsste. Genügend sei, dass sich der wesentliche Inhalt des der Schriftform unterliegenden Rechtsgeschäfts aus der Urkunde ergebe (BAG, 14.7.2010 – 10 AZR 291/09), was hier der Fall gewesen sei.
Sicherlich sei das vereinbarte Wettbewerbsverbot wegen der fehlenden Konkretisierung der Karenzentschädigung (weder ist eine konkrete Summe genannt, noch wird auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen) unverbindlich. Konsequenz sei, dass sich der Arbeitnehmer zu Beginn des Karenzzeitraums für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots entscheiden müsse, was der Kläger hier getan habe. Deshalb entstehe der Anspruch auf Entschädigung.
Als Folge habe der Kläger aus der arbeitsvertraglichen Regelung i.V.m. § 74 Abs. 2 HGB, § 315 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Karenzentschädigung i.H.v. 50 % der zuletzt vertragsbezogenen vertragsgemäßen Leistungen. Die Ermessensbestimmung des Beklagten – Zahlung von 20 % der zuletzt bezogenen Vergütung – sei unbillig. Sie entspreche schon nicht auf der Grundlage der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Umständen der billigen Festsetzung, erst recht aber nicht vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Entscheidung des § 74 Abs. 2 HGB, wonach die Entschädigung mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreichen muss. Das sei der vom Gesetz festgelegte Regelfall zum Ausgleich der wechselseitigen Interessen. Aus diesem Grunde sei es nicht fehlerhaft, wenn die Vorinstanzen 50 % der bisherigen Vergütung als Karenzentschädigung angenommen hätten.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass es geradezu amateurhaft ist, von den gesetzlichen Grundregeln, insbesondere von der Regelung des § 74 Abs. 2 HGB zur Mindesthöhe der Karenzentschädigung abzuweichen. Solche Manöver geben dem Arbeitnehmer eine Entscheidungsmöglichkeit, sich zum Beginn der nachvertraglichen Wettbewerbsunterlassungsphase für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots oder dagegen zu entscheiden. Besonders irritiert, dass hier eine in das „Ermessen“ des Arbeitgebers gestellte Karenzentschädigung vereinbart war. Eine solche Gestaltung habe ich während meiner Beschäftigung mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten noch nie gesehen.