Bezüglich Eingruppierungen im öffentlichen Dienst ist anerkannt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich eine fehlerhafte, der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht entsprechende tarifliche Eingruppierung korrigieren kann, ohne den Arbeitsvertrag (z.B durch Änderungskündigung) ändern zu müssen. Dazu muss er allerdings die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher gewährten Vergütung darlegen und ggf. beweisen. Dazu genügt es, wenn jedenfalls eine der tariflichen Voraussetzungen für die mitgeteilte Eingruppierung fehlt. Die objektive Fehlerhaftigkeit beinhaltet, dass sich der Arbeitgeber insoweit bei der Rechtsanwendung „geirrt“ hat, als er unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt und/oder eine objektiv unzutreffende rechtliche Bewertung vorgenommen hat (Ausnahme die bewusste Zusage einer übertariflichen Vergütung). Diese Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung basieren auf der Erkenntnis, dass es sich bei der Eingruppierung nicht um einen konstitutiven rechtsgestaltenden Akt, sondern um einen Akt der Rechtsanwendung verbunden mit der Kundgabe einer Rechtsansicht handelt. Die Eingruppierung ist nicht in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt.
Diese Grundsätze lassen sich auf die Stufenzuordnung übertragen, wenn und soweit sich die Stufenzuordnung auf eine bloße Rechtsanwendung im Rahmen tariflicher Vorgaben beschränkt. Erlauben die tariflichen Regelungen dem Arbeitgeber bei der Stufenzuordnung hingegen ein rechtsgestaltendes Handeln, kommt eine einseitige korrigierende Rückstufung nicht in Betracht. Die Stufenzuordnung wird dann durch eine bewusste Entscheidung des Arbeitgebers und nicht mehr allein durch die Umsetzung tariflicher Vorgaben bestimmt. Während es sich bei den in § 16 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 TV-L geregelten Fällen der Stufenzuordnung um reine Rechtsanwendung handelt, treffen bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung zusammen. Erweist sich die Stufenzuordnung als fehlerhaft, weil der Arbeitgeber das Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen fehlerhaft bejaht hat, kann er die Stufenzuordnung durch Rückstufung korrigieren. Denn die Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L ist auf der Tatbestandsebene reine Rechtsanwendung (Spelge in: Groeger, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014, Teil 8 Rn. 26). Erst wenn diese einschränkenden Voraussetzungen objektiv erfüllt sind, wird dem Arbeitgeber auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnet.
Auf der Rechtsfolgenseite handelt es sich bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L um Rechtsgestaltung, die der Arbeitgeber nicht durch eine Rückstufung einseitig verändern kann. Dem Arbeitgeber wird hier Ermessen eingeräumt. Insoweit wird die Stufenzuordnung durch einen Gestaltungsakt des Arbeitgebers und nicht durch bloßen Tarifvollzug bestimmt. Im Umfang der Ermessensausübung ist daher eine einseitige korrigierende Rückstufung nicht zulässig. Will der Arbeitgeber die durch sein Ermessen bestimmte Stufenzuordnung verändern, so muss er im Regelfall mit dem betroffenen Arbeitnehmer eine entsprechende Vereinbarung treffen oder die beabsichtigte Änderung im Wege der Änderungskündigung durchsetzen, denn der Arbeitnehmer hat meist einen vertraglichen Anspruch auf die Vergütung nach der vorgenommenen Stufenzuordnung. Hierbei handelt es sich um keine einzelvertragliche Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung. Die Ausübung des Ermessens nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L ist Teil der Tarifanwendung (BAG, Urt. v. 5.6.2014 – 6 AZR 1008/12, ArbRB online). Aber eben kein bloßer Tarifvollzug, sondern rechtsgestaltende Tarifanwendung. Das Urteil des 6. Senats stärkt das Bewusstsein, dass zwischen Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung zu unterscheiden ist, der Praktiker hat sich indessen auch bewusst zu sein, dass die Grenzen fließend sind.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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