Das BMAS hat einen Referentenentwurf mit neuen Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung, Werk- und Dienstverträgen vorgelegt. Neben zahlreichen Änderungen zur Arbeitnehmerüberlassung sind Änderungen im BGB vorgesehen. Das BGB soll ergänzt werden um einen § 611a „vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag“. Hintergrund der Neuregelung ist folgender Passus im Koalitionsvertrag:
„Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.“
Hier offenbart sich bereits die Schwierigkeit des Vorhabens. Die Rechtsprechung hat nämlich keine klaren Kriterien entwickelt, die einfach abgefragt werden können. Im Gegenteil, sie schließt eine schablonenhafte und schematische Abwägung aus und verlangt Festlegung, Wertung und Abwägung der im Einzelfall relevanten Kriterien (vgl. statt vieler BSG vom 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R). Der neue § 611a BGB wirkt daher, wie der – nicht sehr gelungene – Versuch einer Quadratur des Kreises. Auf der einen Seite sieht Abs. 2 S. 1 eine wertende Gesamtbetrachtung vor, dann aber folgen acht Kriterien, die für die Gesamtschau maßgeblich sein sollen.
Die acht Kriterien sind (stichwortartig aufgelistet):
a)Â keine freie Gestaltung von Zeit, Leistung und Ort
b) überwiegende Leistungserbringung in Räumen von Anderen
c)Â Nutzung von Arbeitsmitteln Anderer
d)Â Zusammenarbeit mit Anderen
e)Â nur ein Auftraggeber
f)Â keine eigene betriebliche Organisation
g)Â kein Arbeitsergebnis oder -erfolg geschuldet
h) keine Gewährleistung
Zwei Aspekte fallen sofort ins Auge. Einmal handelt es sich bei den letzten beiden Punkten um Merkmale eines Werkvertrages, die bei Dienstverträgen grundsätzlich nicht vorliegen. Als Abgrenzungsmerkmal des Arbeitsvertrages vom (selbständigen) Dienstvertrag taugen sie damit nicht. Trotzdem sollen sie in § 611a „vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag“ aufgeführt werden, während sie in § 611 „vertragstypische Pflichten bei Dienstvertrag“ nicht genannt sind. Zum anderen verweist der Referentenentwurf zur Begründung der einzelnen Kriterien auf die Rechtsprechung und gibt entsprechende Fundstellen an. Es gibt jedoch genügend andere Urteile, auch höchstrichterliche Rechtsprechung, die die genannten Kriterien als irrerelevant einstufen. Beispielhaft sei hier nur eine aktuelle Entscheidung des BAG vom 21.07.2015 (9 AZR 484/14) genannt, nach der die Bindung an einen Arbeitsort nichts über die persönliche Abhängigkeit aussagt, wenn der Arbeitsort für die Tätigkeit typisch ist.
Zwar wird in der Begründung zum Entwurf darauf hingewiesen, dass die Kriterien nicht abschließend sind und weder die Erfüllung eines noch mehrerer Kriterien automatisch zur Annahme eines Arbeitsvertrages führt. Gleichzeitig soll der neue § 611a BGB aber eine verbesserte Transparenz und Rechtsicherheit hinsichtlich der abgrenzungsrelevanten Kriterien schaffen und die Prüftätigkeit der Behörden erleichtern. Die Erreichung dieses Ziels setzt allerdings voraus, dass die Behörden schwerpunktmäßig die acht Kriterien abfragen. Damit wird eine wertende Gesamtschau aller im Einzelfall relevanten Kriterien unwahrscheinlich. Dies wäre dann nur noch vor den Gerichten zu erreichen. Denkbar ist auch, dass die Gerichte sich der Wertung des neuen § 611a BGB anschließen. Damit würde die Regelung zu einer tiefgreifenden Veränderung der aktuellen Rechtslage führen. Dies mit der Begründung zu tun, der neue § 611a BGB sei nur die „1:1 Kodifizierung einer gefestigten höchstrichterliche Rechtsprechung und lässt die Rechtslage unverändert“, scheint fragwürdig.
Schon jetzt rechnen viele mit Änderungen dieses Entwurfs. Bis zu seinem geplanten In-Kraft-Treten im Januar 2017 bleibt ja auch noch etwas Zeit, die gut genutzt werden möge.
RAin Silke Becker, Silke Becker Consulting, www.silkebecker-consulting.de
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