Nicht nur der EGMR (Barbulescu/Rumänien, Entscheidung vom 12.1.2016 – Beschwerde Nr. 1496/08), sondern auch das LAG Berlin-Brandenburg hat sich vor kurzem mit der Auswertung des Browserverlaufs durch den Arbeitgeber bei privater Internetnutzung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers beschäftigt (Urteil vom 14.01.2016 – 5 Sa 657/15).
Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer einen Dienstrechner überlassen. Die Privatnutzung des Internets war allenfalls in „Ausnahmefällen“ während der Arbeitspausen gestattet. Nachdem Hinweise auf eine erhebliche private Nutzung des Internets vorlagen, wertete der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers dessen Browserverlauf aus. Er kündigte dann auf Grundlage der ausgewerteten Daten das Arbeitsverhältnis außerordentlich wegen illegaler Privatnutzung. Das LAG Berlin-Brandenburg hat die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses für wirksam erachtet, ebenso wie schon zuvor das Arbeitsgericht Berlin.
Das LAG führt aus, dass die fortwährende über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen andauernde und während der Arbeitszeit erfolgende Privatnutzung des dienstlichen Internetanschlusses im Umfang von knapp 40 Stunden den Arbeitgeber wegen der darin liegenden Verletzung der Arbeitspflicht zur außerordentlichen Kündigung berechtige. Dies gelte selbst dann, wenn dem Arbeitnehmer die Privatnutzung in arbeitsvertraglichen Ausnahmefällen innerhalb der Arbeitspausen erlaubt sei. Um eine solche Nutzung sei es aber nicht gegangen.
Das LAG hatte sich dann noch mit der (für den Prozessausgang entscheidenden) Frage zu beschäftigen, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt und die aus der Auswertung gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertet werden können.
Zunächst hat es sich mit einem aus dem Fernmeldegeheimnis § 88 Abs. 3 TKG abgeleiteten Verwertungsverbot beschäftigt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung einer anderen Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10; ebenso Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, 2. Aufl. 2015, § 3 Rz. 79 ff; den Meinungsstand darstellend: Grimm in Tschöpe, Arbeitsrechthandbuch 9. Aufl. 2015, Teil 6 F, Rz. 122 ff) ist das LAG der Auffassung, das Fernmeldegeheimnis des § 88 TKG sei nicht anwendbar, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses erlaube. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck des TKG. Der Arbeitgeber sei nicht Dienstanbieter im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG. Dies setze voraus, dass das Angebot von Telekommunikation an außerhalb des Dienstanbieters liegende Dritte gerichtet sei (Schütz, Beck’scher TKG-Kommentar, § 3 TKG, Rz. 33). Arbeitnehmer des Arbeitgebers seien nicht außerhalb dessen Sphäre stehende Dritte in diesem Sinne (Rz. 116 der Entscheidungsgründe).
Die Datenerhebung müsse sich daher („nur“) am Maßstab der im Arbeitsverhältnis geltenden Rechtfertigungsnorm des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG messen lassen, was das LAG dann im Einzelnen unter Rz. 104 ff. der Entscheidungsgründe bejaht.
Interessant sind die Ausführungen zur Frage eines Beweisverwertungsverbotes für den Fall, dass Datenerhebung rechtswidrig gewesen wäre. Denn auch für diesen Fall bejaht das LAG die Verwertungsmöglichkeit (Rz. 117 ff). Das ist eine Situation, die häufig strittig ist oder in Frage steht. Daher sind die nachfolgenden Ausführungen des zweiten Leitsatzes des LAG wertvoll:
„Im Kündigungsschutzprozess können zu Lasten des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber ohne Hinzuziehung des Arbeitnehmers ausgewerteten Einträge der aufgerufenen Internetseite in der Chronik des auf dem Dienstrechner des Arbeitnehmers installierten Internet-Browsers zum Beweis einer exzessiven Internetnutzung verwertet werden. Obwohl es sich dabei um personenbezogene Daten handelt und auch wenn keine wirksame Einwilligung in die Kontrolle dieser Daten vorliegt, besteht kein Beweisverwertungsverbot, weil das Bundesdatenschutzgesetz auch ohne Einwilligung des Arbeitnehmers die Speicherung und Auswertung der Verlaufsdaten in der Chronik eines Internet-Browsers zur Zwecken der Missbrauchskontrolle erlaubt.
Unabhängig davon besteht jedenfalls dann kein Beweisverwertungsverbot wenn dem Arbeitgeber ein mit anderen Mitteln zu führender Nachweis des Umfangs des Missbrauchs des dienstlichen Internets nicht zur Verfügung steht.“
Eine sehr richtige und praktische Entscheidungsbegründung, die den Rechtstatsächlichkeiten und insbesondere dem häufig vorliegenden Beweisnotstand des Arbeitgebers entspricht. Eine andere Wertung wäre nichts als Täterschutz. In diesem Zusammenhang leistet auch die in der vergangenen Woche besprochene Entscheidung des EGMR weitere Hilfestellung, indem sie die (europäischen) Grundrechtspositionen ergänzend abwägt.