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Gutachten zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“

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Anfang 2015 stellte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales seinen Vorschlag für eine weitreichende Stärkung der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland vor. Dieses sog. „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ zielte darauf, mit Hilfe allgemeinverbindlicher Tarifverträge und neu zu gründender Branchen-Pensionskassen und -fonds rasch einen flächendeckenden Ausbau der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zu erreichen. Den Arbeitgebern sollte im Gegenzug eine umfassende Möglichkeit zur Beschränkung ihrer Zahlungsverpflichtungen auf die entsprechenden Versorgungsbeiträge („reine Beitragszusage“) eingeräumt werden. Das Prinzip sollte für die Arbeitgeber lauten: „Pay and forget„.

Wegen der insbesondere von den Sozialpartnern selbst geäußerten Kritik an dem Reformmodell beauftragte das Ministerium Herrn Prof. Dr. Dres h.c. Peter Hanau von der Universität zu Köln und mich mit der Erstellung eines Gutachtens. Die Aufgabe lautete, das vom Ministerium entworfene „Sozialpartnermodell“ weiterzuentwickeln, Verein­fachungen aufzuzeigen, eine bessere Verträglichkeit mit schon vorhandenen Versorgungswerken zu erreichen und vor allem auch darzulegen, wie die meist nichttarifgebundenen Klein- und mittelständischen Unternehmen in die bAV optimal eingebunden werden können.
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Das nun vorgelegte Gutachten empfiehlt, die ursprünglichen Vorschläge für das „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ entscheidend zu erweitern. Es schlägt ein neues Kapitel im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auf:

  • Ãœber Tarifverträge sollen gegenüber dem Status Quo wesentliche Flexibilisierungen und Vereinfachungen in der bAV möglich werden. Die erweiterten Freiheiten sollen aber nur über die Tarifparteien genutzt werden. Bei ihnen liegt in der Regel die höhere Sachkenntnis als bei den Betriebsparteien. Ein angemessener Arbeitnehmer­schutz ist daher auch bei größeren Gestaltungsfreiheiten weiterhin gewährleistet.
  • Solche Tarifverträge könnten verpflichtend ausgestaltet werden, sie könnten aber auch die neugeschaffenen Freiheiten über Öffnungsklauseln an die Unternehmen delegieren. In diesem Fall würde der Tarifvertrag lediglich einen Rahmen bilden, den die Unternehmen dann ausschöpfen können („Leitplankenmodell“).
  • So könnten für ganze Branchen sehr kosteneffiziente Versorgungslösungen entstehen, die gerade auch für Klein- und mittelständische Unternehmen eine haftungsbefreite Alters­versorgung mit einer einzigen Unterschrift ermöglichen. Die Tarifparteien würden einen oder mehrere Versorgungsträger auswählen, geeignete Musterverträge entwerfen, die dann insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen ohne zusätzlichen Beratungsaufwand übernommen werden können.
  • Ãœber ein neu im Gesetz zu verankerndes „Optionsmodell“ sollen Arbeitnehmer auch in gewissem Umfang ohne ausdrückliche Erklärung, aber mit Widerspruchsrecht in eine Entgeltumwandlungs-Altersversorgung eingebunden werden können. Dieser Variante der Entgeltumwandlung, die von vielen Seiten gefordert wird, steht jedenfalls dann kaum etwas entgegen, wenn der Arbeitgeber mit der Beitragszahlung tatsächlich alle Pflichten erfüllt hat. Derzeit besteht für den Arbeitgeber auch für Entgeltumwandlungs-Altersversorgungen nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG eine Einstandspflicht, falls der externe Versorgungsträger seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Dies wäre bei den neu vorgeschlagenen Beitragszusagen nicht der Fall. Es wäre daher denkbar, dass Tarifparteien ein solches „Optionsmodell“ sogar verpflichtend einführen, denn die Vorteile für die Arbeitnehmer wären enorm während für den jeweiligen Arbeitgeber Nachteile kaum ersichtlich sind.
  • Mit Blick auf die Niedrigzinsphase und die neuen strengen aufsichtsrechtlichen Anforderungen (Solvency II) zeigt das Gutachten den Weg in ein System von Zielrenten auf (im Ausland „defined ambition“ genannt), bei denen nicht mehr eine feste Versor­gungs­leistung verbindlich versprochen wird und bei denen dennoch mit höheren Versorgungs­leistungen zu rechnen ist. Diese Art der Altersversorgung ist in Deutschland bisher nicht üblich. Aber die Vorteile gegenüber den Garantiesystemen sind sehr groß. In den Niederlanden wird dieses Prinzip seit Jahrzehnten praktiziert. Die damit deutlich freiere Kapitalanlage, die vor allem auch hohe und langfristige Anlagequoten in Produktivvermögen zulässt, führt zu wesentlich besseren Ergebnissen.

Durch die gutachterlichen Empfehlungen bleibt zum einen der Kern des „Sozialpartnermodells“ erhalten, nämlich die in vielen Bereichen wesentlich stärkere Ein­bindung der Tarifparteien in die Gestaltung und die Verbreitung der bAV. Die Tarifparteien sind in der Lage für viele Unternehmen, vor allem aber für Klein- und mittelständische Unternehmen effiziente Versorgungslösungen zu entwickeln und bereitzustellen. Sie können dabei die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und auch einen ausgewogenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen­ sicherstellen.

Zum anderen kann das prägende Prinzip der deutschen bAV erhalten bleiben, nämlich die Freiwilligkeit. Und zwar auf der Ebene der einzelnen Arbeitnehmer wie auch auf der Ebene der Unternehmen.

Gleichwohl dürfte von den Reformvorschlägen, vor allem von dem „Optionsmodell“ in Verbindung mit Versorgungslösungen, die durch die Tarifparteien ausgehandelt wurden, ein beachtlicher Schub für eine stärkere Verbreitung entstehen. Hier besteht die große Chance, dass bei Ausnutzung der Kollektiveffekte im Versicherungsschutz, der Skaleneffekte bei den Kosten sowie der Kombination von Zuschüssen, Steuer- und Sozialversicherungsvorteilen Konzepte entstehen werden, die so attraktiv für Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden, dass man diesen Möglichkeiten kaum wird ausweichen können.

RA Dr. Marco Arteaga ist Partner bei DLA Piper, Frankfurt am Main. Er ist Mitherausgeber des Handbuchs Entgeltumwandlung von Hanau/Arteaga/Rieble/Veit.

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