Eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit und damit eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn die Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte, in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiter bestanden hat. Die wiederholte Arbeitsunfähigkeit muss auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruhen. Dieses kann jedoch verschiedene Krankheitssymptome zur Folge haben. Für das Vorliegen einer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließenden Fortsetzungserkrankung ist der Arbeitgeber darlegungspflichtig.
Unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 13.7.2005 (5 AZR 389/04, ArbRB Online) entschieden, dass der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankheitsursachen bei der Verteilung der Darlegungslast zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung Rechnung zu tragen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zunächst einen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen habe, die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen trage und dieser regelmäßig durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genüge. Sei der Arbeitnehmer jedoch innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, sei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend, weil sie keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthalte. Der Arbeitnehmer müsse deshalb darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliege. Hierzu könne er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreite der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit, obliege dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlaubten, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dabei habe der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung seien allerdings vom Arbeitgeber zu tragen, denn nach der sprachlichen Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EFZG treffe den Arbeitgeber die objektive Beweislast.
Hiervon möchte die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg abweichen, weil sie darin einen Wertungswiderspruch zu Fallgestaltungen sieht, in denen der Anspruch nicht vom Arbeitnehmer selbst, sondern von der Krankenkasse aus übergegangenem Recht eingeklagt wird. Verweigert ein Arbeitgeber im Fall einer Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers die Entgeltfortzahlung, so hat der Arbeitnehmer gegen die Krankenkasse einen Anspruch auf Krankengeld aus § 44 Abs. 1 SGB V. Wegen dieser Krankengeldzahlung geht der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers in Höhe der Krankengeldzahlung gemäß § 115 Abs. 1 SGB X auf die Krankenkasse über. Macht nun die Krankenkasse den Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber aus übergegangenem Recht geltend, so kann sie, wenn der Arbeitgeber das Nichtvorliegen einer anderen Krankheit bestreitet, der Darlegungslast durch Benennung der Krankheitsdiagnosen nicht nachkommen, da die Diagnosedaten dem Sozialdatenschutz des § 69 Abs. 4 aE SGB V unterfallen. Dieser gesetzliche Hinderungsgrund zum substantiierten Tatsachenvortrag dürfe dem Arbeitgeber aber nicht zu einem prozessualen Vorteil gereichen. Der Krankenkasse müsse es demnach gestattet sein, allein die Bewertung vorzutragen, ohne die zugrunde gelegten Tatsachen offenbaren zu müssen. Die Kammer zieht daraus den Schluss, dass dann, wenn die Krankenkasse dem Arbeitgeber gem. § 69 Abs. 4 SGB X mitgeteilt hat, dass im Zeitraum des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG keine anrechenbare Vorerkrankungen vorgelegen habe, ein schlichtes, nicht durch Tatsachen begründetes Bestreiten einer Neuerkrankung durch den Arbeitgeber noch nicht geeignet sei, den Arbeitnehmer in der sekundären Darlegungslast zu einer Offenbarung seiner Krankheitsdiagnosen zu veranlassen. Der Arbeitnehmer sei erst dann gehalten, zu den Diagnosen vorzutragen, wenn durch Tatsachen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Mitteilung der Krankenkasse vorlägen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.6.2016 – 4 Sa 70/15, ArbRB Online).
Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber hat aus Gründen des Datenschutzes einer rein wertenden Mitteilung eines Mitarbeiters der Krankenkasse, der lediglich die ihr mitgeteilten Diagnosen auswerten kann, zu vertrauen – oder Tatsachen vorzutragen, die Zweifel an der Richtigkeit begründen. Wie aber soll dies möglich sein, wenn ihm nicht einmal die Diagnosen bekannt gegeben werden müssen?
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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