Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage – so knapp und klar formuliert es § 3 Abs. 1 BUrlG. Wäre da nur nicht das Wort „mindestens“. Wie wir wissen, darf es auch ein bisschen mehr sein. Und viele Tarifverträge scheren nicht alle über einen Kamm, sondern differenzieren – meistens nach dem Alter. Soweit tarif- oder auch einzelvertraglich Mehrurlaub vereinbart wird, sind jedoch Diskriminierungsverbote, insbesondere wegen des Alters, zu beachten. Fraglich ist dann, ob die Differenzierung gerechtfertigt ist. Nach § 10 Abs. 1 AGG muss die unterschiedliche Behandlung objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Außerdem muss das Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Eine tarifliche Regelung, die zusätzlich Urlaubstage bereits ab dem 30. und sodann ab dem 40. Lebensjahr vorsah (TVöD), konnte nicht mit dem erhöhten Schutzbedürfnis älterer Arbeitnehmer gerechtfertigt werden (BAG vom 20.3.2012 – 9 AZR 529/10, ArbRB Online). Dagegen hat das BAG die Gewährung von zwei zusätzlichen Urlaubstagen ab dem 58. Lebensjahr nicht beanstandet (BAG vom 21.10.2014 – 9 AZR 956/12, ArbRB Online). Wenige Tage nach dem Urteil des BAG vom 20.3.2012 haben die Tarifvertragsparteien den TVöD geändert (Tschöpe/Zerbe, Arbeitsrecht Handbuch, Teil 2 C Rd. 40).
Die Gewährung von zwei zusätzlichen Urlaubstagen bereits ab dem 50. Lebensjahr hält das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 23.2.2016 – 2 Sa 200/15 ua., ArbRB Online) für gerechtfertigt. Die Regelung ist in einem Konzerntarifvertrag für einen Klinikbetreiber enthalten. Der besondere Schutz von Beschäftigten ab Vollendung des 50. Lebensjahres, der darin zum Ausdruck kommt, erweist sich nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch als eine Folge der Bewertung von Arbeitsbedingungen, die im Klinikbereich nicht nur durch Wechselschichtarbeit, Nachtarbeit und Arbeit an Wochenenden und Feiertagen gekennzeichnet seien, sondern als weiteren Belastungsfaktor auch den ständigen Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen beinhalten, der jedenfalls in den letzten Jahren mit einem von wirtschaftlichen Zwängen mitgeprägten Zeitmanagement geprägt sei. Jedoch dürfte die Regelung für alle Arbeitnehmer gelten, nicht nur für das ärztliche und das Pflegepersonal, sondern auch für Mitarbeiter der Verwaltung. Und sie gilt auch dann, wenn jemand erst mit 50 oder in noch höherem Alter das Arbeitsverhältnis beginnt, also ungeachtet des Zeitraums, den der oder die Beschäftigte unter den genannten Bedingungen bereits vor Erreichen des 50. Lebensjahres beschäftigt war.
So bleibt am Ende vielleicht doch nur der gerichtliche Erfahrungssatz des Landesarbeitsgerichts, „dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt“. Das Landesarbeitsgericht konzediert zwar, dass der Prozess des Alterns individuell unterschiedlich verlaufen mag und dass das Altern nicht nur mit Einbußen der Leistungsfähigkeit einhergeht, sondern auch punktuell mit deren Anstieg, etwa im Bereich des Erfahrungswissens. Gleichwohl sei es „bei typisierender Betrachtung gerechtfertigt, bei über 50-Jährigen aufgrund von Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen von einer abnehmenden Belastbarkeit und als Folge hiervon von einem höheren Regenerationsbedürfnis auszugehen“.
Die Kandidatin und der Kandidat, die sich um das wichtigste Amt in der westlichen Welt bewerben, vermitteln nicht den Eindruck, sich dieses Regenerationsbedürfnisses bewusst zu sein. Der Sänger von „Let me entertain you“ klagt demgegenüber bereits mit 42 über Rückenprobleme. Aber das ist beides ein anderes Thema. Der Verfasser ist froh und dankbar, der typisierenden Betrachtung noch nicht zu entsprechen und hofft, dass sie keinen Typenzwang begründet.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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