Der Fußballinteressierte hat in den letzten Wochen das Theater um den Wechsel von Anthony Modeste vom 1. FC Köln nach China verfolgt. Nun ist eine neue Eskalation eingetreten: Am 13.7.2017 (11.00 Uhr, Saal IX) verhandelt das Arbeitsgericht Köln (2 Ga 55/17) über einen im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellten Antrag des Stürmers, am Trainingslager der 1. Mannschaft des 1. FC Köln in Österreich teilzunehmen. Das gibt Anlass zu einigen – keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden – Bemerkungen zum Beschäftigungsanspruch des Berufssportlers, die sich an den Aufsatz von Grimm/Gehrke, ArbRB 2014, 189 anlehnen.
1. Nach h.M. haben Profifußballer keinen Anspruch, in einem Spiel tatsächlich eingesetzt zu werden (BAG v. 22.8.1984 – 5 AZR 539/81, NJW 1986, 2904; LAG Nürnberg v. 28.3.2006 – 7 Sa 405/05, BeckRS 2006, 42169 = ArbRB online; Wüterich/Breucker in Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2011, Rz. 576; a.A. LAG Berlin v. 31.8.2000 – 10 Sa 1728/00, NZA 2001, 53 = ArbRB online).
Fraglich ist aber, ob sie zur Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb der zweiten Mannschaft oder zu einem Training in einer separaten Trainingsgruppe verpflichtet sein können.
Beispiel: Die TSG 1899 Hoffenheim hatte 2013 eine sog. „Trainingsgruppe 2“ gebildet, in der einige Profifußballer separat vom Mannschaftstraining unter Aufsicht professioneller Übungsleiter trainieren. Der Eilantrag des Spielers Eren Derdiyok auf Teilnahme am Mannschaftstraining wurde wegen fehlender Eilbedürftigkeit abgewiesen (ArbG Mannheim v. 28.8.2013 – 10 Ga 3/13, SpuRt 2014, 217). Das ArbG stellt aber heraus, dass der Berufssportler mindestens in einem qualifizierten Wettbewerb (Oberliga oder höher) spielen können muss. Dazu genügt eine Trainingsgruppe 2 nicht (ArbG Mannheim v. 28.8.2013 – 10 Ga 3/13, SpuRt 2014, 217 (218f.)).
Das ArbG Berlin (ArbG Berlin v. 17.2.2014 – 38 Ga 2145/14, SpuRt 2014, 219) hatte im Eilverfahren über die Verpflichtung eines Profifußballers zur Teilnahme am Trainings- und Spielbetrieb der zweiten Mannschaft eines Klubs der 1. Bundesliga (Hertha BSC) zu entscheiden. Grundlage war eine vorformulierte Regelung im Spielervertrag, durch die sich der Spieler verpflichtete,
„an jedem Training teilzunehmen (und) bei entsprechender Anweisung (…) an Spielen oder am Training der zweiten Mannschaft des Klubs teilzunehmen, falls diese in der Oberliga oder einer höheren Spielklasse spielt.“
Das ArbG Berlin hielt die Klausel jedenfalls bezogen auf die Verpflichtung, auch am Training der zweiten Mannschaft teilzunehmen, für wirksam (zustimmend Herrich/Menke/Schulz, SpuRt 2014, 187 (188f.); a.A. ArbG Münster v. 20.8.2009 – 1 Ga 39/09, SpuRt 2011, 77; ArbG Solingen v. 16.1.1996 – 2 Ga 1/96, BB 1996, 1618; ÖsterrOGH v. 1.2.2007 – 9 Ob A 121/06v, SpuRt 2007, 161; Wüterich/Breucker in Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2011, Rz. 576; Fröhlich/Strauf, NZA Online-Aufsatz 2/2011.) Dem stehe nicht entgegen, dass der Arbeitsvertrag nur in der 1. und 2. Bundesliga gültig sei. Diese Tatsache hindere nicht daran, die Rechte und Pflichten des Spielers von seinen sportlichen Leistungen abhängig zu machen. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei davon nicht betroffen. Im Ergebnis gleich hat das ArbG Bielefeld (v. 16.2.2011 – 6 Ga 7/11, SpuRt 2014, 215) entschieden.
Darüber hinaus liege auch keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB vor (so wohl auch Kleinebrink, ArbRB 2008, 14, ArbRB online, jedenfalls bzgl. der Berechtigung, den Spieler in Spielen der zweiten Mannschaft einzusetzen; a.A. ArbG Münster v. 20.8.2009 – 1 Ga 39/09, BeckRS 2011, 70437). Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB seien bei der Inhaltskontrolle (selbst der Arbeitsvertrag des Cheftrainers eines Profifußballvereins unterliegt der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, wenn die Klauseln nicht wirkliche Individualabreden i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB sind: LAG Köln v. 11.10.2011 – 14 Sa 543/11, SpuRt 2012, 163 = ArbRB online; HWK/Gotthardt/Roloff, 7. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 9) auch die „den Vertragsschluss begleitenden Umstände“ zu berücksichtigen. Profifußballer seien nicht in gleicher Art und Weise wie „normale“ Arbeitnehmer auf den Schutz vor der Verwendung von AGB durch den Arbeitgeber angewiesen  (HWK/Gotthardt/Roloff, § 307 BGB Rz. 23 m.w.N. zur Berücksichtigung der Art des Arbeitsvertrags, der Stellung des Arbeitnehmers und Vergütungsform). Dies folge insbesondere daraus, dass sie
- real Einfluss auf die ihnen vorgelegten Vertragsbedingungen nehmen könnten,
- bei Vertragsschluss durch Spielervermittler und Rechtsanwälte beraten würden und
- unabhängig von (Trainings-)Einsätzen in der Profimannschaft eine überdurchschnittliche Vergütung erhielten.
Zudem sei jedem Profifußballer bei Vertragsabschluss bewusst, dass letztlich allein sportliche Gesichtspunkte für einen Einsatz – ggf. auch in der zweiten Mannschaft – entscheidend seien.
Angesichts des Fehlens der für das Arbeitsrecht typischen Verhandlungsdisparität im Profifußball sprechen gute Gründe für die Wirksamkeit einer Klausel, die zur Teilnahme am Training der zweiten Mannschaft verpflichtet.
2. Während sich das Arbeitsgericht Berlin im Eilverfahren auf die Ausführungen zur Wirksamkeit der Klausel beschränken konnte, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Klub von seinem Recht in einer Art und Weise Gebrauch gemacht hat, die der Billigkeit entspricht (Ausübungskontrolle, § 106 Satz 1 GewO), dazu BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 58/07, NZA-RR 2008, 129 = ArbRB online.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit und seines Marktwertes für den Spieler von existentieller Bedeutung ist (BAG v. 17.1.1979 – 5 AZR 498/77, AP BGB § 611 Berufssport Nr. 2). Daher sollte ein von seinem Weisungsrecht Gebrauch machender Klub sicherstellen, dass das dem Spieler zur Verfügung gestellte Training – sei es in der zweiten Mannschaft oder in einer separaten Trainingsgruppe – die folgenden Kriterien erfüllt:
- angemessene Dauer der Anweisung, am Training der zweiten Mannschaft bzw. der separaten Trainingsgruppe teilzunehmen (ArbG Solingen v. 16.1.1996 – 2 Ga 1/96, BB 1996, 1618),
- professionelle Trainingsgestaltung und Einschaltung geschulter Übungsleiter mit gleicher Qualifikation wie der Übungsleiter der ersten Mannschaft (ArbG Hannover v. 24.3.1993 – 3 Ga 2/93, juris; dazu auch Herrich/Menke/Schulz, SpuRt 2014, 187 (190),
- medizinische und sporttherapeutische Betreuung (BAG v. 22.8.1984 – 5 AZR 539/81, NJW 1986, 2904; ArbG Bielefeld v. 16.2.2011 – 6 Ga 7/11, SpuRt 2014, 215 (217);  Breucker/Wüterich in Stopper/Lentze, Handbuch Fußballrecht, Kap. 8 Rz. 81.)
- Gruppentraining zur Ãœbung taktischer Konzepte (Einzeltraining ist nicht ausreichend), dazu Fröhlich/Strauf, NZA Online-Aufsatz 2/2011; ArbG Hannover v. 24.3.1993 – 3 Ga 2/93, juris,Â
- Wettkampfpraxis (LAG Berlin v. 31.8.2000 – 10 Sa 1728/00, NZA 2001, 53 = ArbRB online) und
- Aussicht auf Teilnahme am Spielbetrieb der Profimannschaft.
Der Klub sollte die zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Spielers vorgenommenen Maßnahmen sorgfältig dokumentieren. Insbesondere hinsichtlich der Aussicht auf eine Teilnahme am Spielbetrieb der Profimannschaft sollte festgehalten werden, in welchem Umfang sich deren sportliche Leitung über die Leistungen des betroffenen Spielers informiert.
3. Ergebnis: Entspricht die Klausel im Anstellungsvertrag von Anthony Modeste der vom ArbG Berlin (SpuRt 2014, 217) oder ArbG Bielefeld (SpuRt 2014, 215 (217) bewerteten oder derjenigen des Muster-Spielervertrages der DFL oder der von Herrich/Menke/Schulz, SpuRt 2014, 187 (188f.) empfohlenen Klausel („Der Spieler ist auf Anweisung verpflichtet, an Spielen oder am Training einer anderen Mannschaft des Vereins teilzunehmen, falls diese nicht unterhalb der fünften Spielklassenebene spielt.„) sollte der verfügungsbeklagte 1. FC Köln sein Ermessen dahingehend ausüben, Anthony Modeste nicht freizustellen (wie geschehen), sondern am Training der U-21 Mannschaft, die in der Regionalliga spielt und vom ehemaligen Nationalstürmer Patrick Helmes trainiert wird, teilnehmen zu lassen. Dorthin wurden in der Praxis des Trainings des 1. FC Köln schon in der Vergangenheit Spieler der in der Bundesliga spielenden Profimannschaft abgeordnet, um Spielpraxis zu erlangen. Dann dürfte der Verfügungsantrag von Anthony Modeste nicht erfolgreich sein, ohne dass es darauf ankommt, ob dem Beschäftigungsanspruch andere – dem Verfasser nicht bekannte – zur Freistellung berechtigende Umstände im Zusammenhang mit den Wechselverhandlungen  entgegenstehen.