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ArbRB-Blog

LAG’s zum BetrVG (2)

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Fragen der Aus- und Fortbildung beschäftigen die betriebliche Mitbestimmung immer mehr. Das LAG Köln hat in einem Beschluss v. 16.1.2017 – 9 TaBV 77/16 – entschieden, dass (ausnahmsweise) die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig i.S.v. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist, wenn der Arbeitgeber eine Bildungsmaßnahme zum Thema „Lead Generierung“ im Sinne eines Eins-zu-Eins Coaching (Side-by-Side-Coaching) durchführt.

Mitarbeiter eines Versicherungskonzerns sollten gezielt darauf geschult werden, dass anrufende Kunden sich zur Ansprache durch das Vertriebs-Center bereit erklären. Diese Schulung sollte durch Coachingmaßnahmen begleitet werden. Deren Inhalt war das Mithören der Kundentelefonate durch einen Trainer (Side-by-Side-Coaching), der dann konkrete Tipps zur Verbesserung der Gesprächsführung geben sollte.

Nachdem das Arbeitsgericht die Einigungsstelle mit der Begründung eingesetzt hatte, „es könne nicht ausgeschlossen werden“, dass das Coaching eine berufliche Fortbildung i.S.v. §§ 96 ff. BetrVG darstelle, hat das LAG Köln die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle i.S.v. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angenommen. Bekanntlich ist der Maßstab zur Einsetzung der Einigungsstelle sehr großzügig und einigungsstellenfreundlich. Hier liegt nach Ansicht des LAG der seltene Ausnahmefall vor.

Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle nur, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Arbeitsgericht sofort erkennbar ist, dass das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht „unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt“ in Frage kommt. Ansonsten soll die Einigungsstelle eingesetzt werden, um möglichst schnell den Betriebsparteien ein Verfahren zur Einigung zu geben. Die endgültige Erklärung der Zuständigkeit der Einigungsstelle ist der Einigungsstelle selbst und im etwaigen Beschlussanfechtungsverfahren den Gerichten vorbehalten.

Selbst wenn man diesen großzügigen Maßstab zugrunde lege – so das LAG beginnend ab Rz. 34 ff. – komme ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich der Coachingmaßnahme unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage.

Soweit § 98 Abs. 1 BetrVG betroffen sei, würden die Arbeitnehmer durch das Side-by-Side-Coaching nicht erst für ihre Tätigkeit bei der Arbeitgeberin befähigt, was Voraussetzung des § 98 Abs. 1 BetrVG sei. Im Gegensatz dazu stehe die mitbestimmungsfreie Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 81 BetrVG. Diese verschaffe nicht erst die Kenntnis und Erfahrungen, um die Arbeit überhaupt erst auszuüben, sondern kennzeichne sich durch die Einweisung an einem konkreten Arbeitsplatz und der Einweisung in die konkrete Tätigkeit. Call-Center-Agenten betreuten Kunden ohnehin immer telefonisch, weshalb die Coachingmaßnahme die Mitarbeiter nicht erst in die Lage versetze, die Arbeit im Call-Center zu erbringen.

Daneben erfolge die Maßnahme auch nicht in systematischer, lehrbuchhafter Art und Weise, wie dies beim Vorlegen einer Maßnahme und der beruflichen Bildung notwendig sei (vgl. BAG, Beschl. v. 24.8.2004 – 1 ABR 28/03, ArbRB 2005, 109 [Oetter]). Das Mittel und der Kunde dienten nur der konkreten und im Einzelfall arbeitnehmer- und situationsbezogenen Unterstützung der Arbeitnehmer zur Verbesserung der Gesprächsführung. Gesamtstrukturelle Maßnahmen seien ausgeschlossen.

Man kann darüber diskutieren, ob diese Bewertung – erst recht anhand des Maßstabes der offensichtlichen Unzuständigkeit – zutreffend ist. Berücksichtigt man, dass sich die Inhalte und die Durchführung der betrieblichen Aus- und Fortbildung in den vergangenen Jahren sehr gewandelt haben, tritt die klassische Präsentation eines lehrbuchhaften, strukturierten Vortrages durch einen Dozenten immer mehr in den Hintergrund zu Gunsten einer Vielfalt von modernen Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen, die regelmäßig „on the Job“ stattfinden. Angesichts dessen ist zu erwägen, den Begriff der betrieblichen Berufsbildung an die veränderten Lehrmethoden in der Praxis anzupassen.

Das setzt aber eine Rechtsprechungsänderung des BAG zu § 98 BetrVG voraus, die in diesem Verfahren nicht mehr herbeigeführt werden kann. Gegen die Beschwerdeentscheidung des LAG im Einigungsbesetzungsverfahren findet kein Rechtsmittel statt, wie § 100 Abs. 2 Satz 4 ArbbGG unmissverständlich festlegt. Ein anderes LAG kann natürlich bei einer anderswo einzusetzenden Einigungsstelle zum gleichen Thema anders entscheiden und die Einigungsstelle einsetzen. Diese klärt dann als Vorfrage ihre Zuständigkeit.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

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