Anfang Februar 2015 bekundete eine examinierte Krankenschwester gegenüber ihrem Arbeitgeber unter Hinweis auf § 9 TzBfG ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Zum 1. April 2015 stellte der Arbeitgeber fünf examinierte Krankenschwestern und Krankenpfleger in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über freie Stellen informiert zu haben.
Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zu Art. 33 Abs. 2 GG entwickelt hat, sind nicht anzuwenden. Der Anspruch des Bewerbers nach Art. 33 Abs. 2 GG auf Übertragung einer Stelle im öffentlichen Dienst setzt dem Grundsatz nach voraus, dass diese noch nicht besetzt ist. Überträgt der Dienstherr die begehrte Stelle einem Konkurrenten rechtswirksam auf Dauer, ist die Stelle nicht mehr verfügbar und der Erfüllungsanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG geht im Regelfalle unter. Der unterlegene Bewerber hat – ähnlich wie im Falle des § 9 TzBfG – allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz. Wenn jedoch der öffentliche Arbeitgeber den effektiven Rechtsschutz des Bewerbers vereitelt, gilt eine Ausnahme. In diesem Falle geht das BAG davon aus, dem Arbeitgeber sei es entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 162 BGB verwehrt, dem übergangenen Bewerber die anderweitige Stellenbesetzung entgegenzuhalten. Diese Grundsätze sind jedoch auf Fälle wie den vorliegenden, in dem ein privater Arbeitgeber einen Arbeitsplatz besetzt, ohne dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einzuräumen, seinen Anspruch aus § 9 TzBfG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu sichern, nicht zu übertragen. Während Art. 33 Abs. 2 GG als „grundrechtsgleiches Recht“ ausschließlich den Staat und seine Organe, nicht aber Privatpersonen bindet, verpflichtet § 9 TzBfG ua. Personen des Privatrechts, die ihrerseits Träger von Grundrechten sind. Dazu zählt auch die für Wirtschaftsunternehmen in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Vertragsfreiheit. Die Vorschrift des § 9 TzBfG beschränkt den Arbeitgeber in seiner Vertragsfreiheit, indem sie dem Arbeitnehmer unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf die von ihm gewünschte Vertragsänderung einräumt und so den Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang unterwirft. Dem Arbeitgeber obliegt es nicht, bei der Besetzung von Stellen besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen und dabei bestimmte Fristen zu beachten, um dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, seinen einfachgesetzlichen Anspruch gegenüber seiner eigenen Grundrechtsposition aus Art. 12 Abs. 1 GG sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, als dem Arbeitnehmer in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Untergang des Änderungsanspruchs zu vertreten hat, ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
Besetzt ein Arbeitgeber eine freie Stelle iSd. § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung (§ 275 Abs. 1 BGB), hat er dem Arbeitnehmer Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff BGB zu leisten, sofern er das zur Unmöglichkeit führende Verhalten zu vertreten hat. Der danach zu leistende Schadensersatz richtet sich in einem solchen Falle auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung in kausal-adäquater Weise erleidet. Ein Anspruch auf Vertragsänderung kommt nach § 15 Abs. 6 AGG, der hier entsprechend anzuwenden ist, nicht in Betracht. Die Regelung hat einen doppelten Schutzzweck. Zum einen dient sie dem Schutz der Privatautonomie, indem sie die grundrechtlich garantierte Auswahlfreiheit des Arbeitgebers sicherstellt. Zum anderen trägt sie den berechtigten Schutzinteressen des bevorzugten Arbeitnehmers Rechnung. § 15 Abs. 6 AGG enthält insoweit einen allgemeinen Rechtsgedanken, der den Grundsatz der Naturalrestitution über den Bereich des Diskriminierungsschutzes hinaus einschränkt. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber bei einem den Arbeitnehmer diskriminierenden Verhalten des Arbeitgebers Schadensersatzansprüche auf die Leistung eines finanziellen Ausgleichs beschränken wollte, dem bei der Auswahl übergangenen Arbeitnehmer aber bei den typischerweise deutlich weniger gewichtigen Verstößen gegen das Berücksichtigungsgebot des § 9 TzBfG einen Schadensersatzanspruch zuerkennen wollte, der den Abschluss eines Vertrags zum Gegenstand hat. Der von § 15 Abs. 6 AGG beabsichtigte Schutz grundrechtlicher Positionen des Arbeitgebers erfordert deshalb nach Ansicht des BAG in Fällen wie dem vorliegenden eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf sämtliche Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers, die aus einer Verletzung des Anspruchs aus § 9 TzBfG resultieren. Der Arbeitnehmer werde hierdurch nicht schutzlos gestellt, da ihm ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld verbleibt (BAG vom 18.7.2017 – 9 AZR 259/16).
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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