Der Abschluss, die Verlängerung oder die Änderung eines Vorstandsdienstvertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes hat in angemessenem Verhältnis zum Aufgabenbereich, zur Größe und zur Bedeutung der Körperschaft zu stehen. Nicht de lege ferenda, also keine Forderung aus einem Parteiprogramm und keine bislang noch nicht entdeckte Randnummer aus dem Koalitionsvertrag, sondern geltendes Recht: für Vorstände von Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie Ersatzkassen. Nachzulesen in § 35a Abs. 6a S. 1 und 2 SGB IV.
Das BSG hat sich mit dieser Vorschrift in einem lesenswerten Urteil vom 20.3.2018 (B 1 A 1/17 R) befasst. Das Urteil arbeitet sorgfältig das Spannungsfeld zwischen der Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenkassen auf der einen Seite und der Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen auf der anderen Seite und schließlich der Reichweite und Intensität der in einem Rechtsstaat erforderlichen gerichtlichen Kontrolle aufsichtsrechtlicher Entscheidungen heraus. § 35a Abs. 6a SGB IV dient in Konkretisierung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots im Haushaltswesen der Verwirklichung der Interessen der Mitglieder der öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften und der sonstigen Beitragszahler. Die Norm greift nicht in Rechte des betroffenen Vorstandes ein, die aufsichtsrechtliche Mitwirkung ist der Rechtssphäre des betroffenen Vorstandsmitglieds vielmehr vorgelagert.
Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde über die Zustimmung zum Abschluss, zur Verlängerung oder zur Änderung eines Vorstandsdienstvertrags ist eine Ermessensentscheidung. Um eine gleichmäßige Ermessensausübung zu gewährleisten, um die Rechtskonkretisierung der Krankenkassen zu strukturieren und um eine nachhaltige präventive Wirkung zu erzielen, sind die Aufsichtsbehörden gehalten, die Ermessenskriterien in allgemeinen Verwaltungsvorschriften festzulegen.
Dieses Auslegungsergebnis, von einer durch von der Aufsichtsbehörde zu erlassende Richtlinien begrenzten Ermessensentscheidung der Aufsichtsbehörde auszugehen, steht mit den allgemeinen Grundsätzen von öffentlich-rechtlichen Koppelungsvorschriften in Einklang. Verbindet eine Rechtsnorm einen unbestimmten, einer unmittelbaren Subsumtion nicht zugänglichen Rechtsbegriff auf der Tatbestandseite mit einem „Können“ der Behörde auf der Rechtsfolgenseite (sog Koppelungsvorschrift), ist die rechtliche Würdigung dogmatisch nicht vorgegeben. Es kann sich einerseits an die (regelmäßig gerichtlich voll überprüfbare) Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs eine eigenständige Ermessensausübung (Folgeermessen) anschließen. Andererseits kann zwischen beiden eine unlösbare Verbindung bestehen, so dass der unbestimmte Rechtsbegriff in den Ermessensbereich hineinragt und zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt. Welche Konstellation zutrifft, lässt sich nur nach Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift entscheiden. Maßstab ist dabei insbesondere, ob bei der Annahme eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf der Tatbestandseite noch Raum für ein Verwaltungsermessen verbleibt. Letzteres ist hier nach Ansicht des BSG der Fall. Der Gesetzgeber wollte der Aufsichtsbehörde eine Konkretisierungsbefugnis hinsichtlich des Gebots der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und relativen Vergütungsangemessenheit bei der Beurteilung der Vorstandsdienstverträge einräumen. Die hierdurch eingeschränkte gerichtliche Kontrolle ist mit Verfassungsrecht vereinbar. Krankenkassen können sich auf Grundrechte, insbesondere auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht berufen Auf die Person des Vorstandsvorsitzenden kommt es mangels unmittelbarer Betroffenheit nicht an.
RA FAArbR Axel Groeger
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