Otto Schmidt Verlag

ArbRB-Blog

Verzicht auf Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB auch bei fehlerhafter Unterrichtung möglich

avatar  Detlef Grimm

Das LAG Niedersachsen hat mit Urteil v. 05.02.2018 (8 Sa 831/17) entschieden, dass auch dann wirksam auf das Widerspruchsrecht des § 613a Abs. 6 BGB verzichtet werden kann, wenn der Arbeitnehmer zuvor fehlerhaft oder unvollständig über den bevorstehenden oder erfolgten Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 6 BGB unterrichtet worden ist.

Strittig ist gegenwärtig – und das wird es bis zur Revisionsentscheidung des BAG in dieser Sache (Az. 8 AZR 208/18) auch bleiben –, ob Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem konkret bevorstehenden Betriebsübergang auf das Widerspruchsrecht verzichten können, wenn sie nicht zutreffend oder unvollständig gem. § 613a Abs. 6 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sind.

Dies war vom LAG Saarland im Urteil v. 12.08.2009 – 2 Sa 52/09 verneint worden, weil der Schutzzweck des § 613a Abs. 6 BGB gebiete, dass der Arbeitnehmer wisse, worauf er verzichte. Das ArbG Arnsberg hatte sich im Urteil vom 13.05.2013 – 1 Ca 53/13 – dem angeschlossen; gefolgt waren auch Grobys BB 2002, 726, 730; APS-Steffan, Kündigungsrecht, 5. Auflage 2017, § 613a BGB, Rz. 232.

Andere – und dies scheint auch die herrschende Meinung zu sein – halten einen Verzicht nicht nur bei fehlerhafter oder unvollständiger Unterrichtung, sondern sogar bei ganz unterbliebener Unterrichtung für wirksam (so ErfK/Preis, 18. Auflage 2018, § 613a BGB, Rz. 104; HWK-Willemsen/Müller-Bonanni, 8. Auflage 2018, § 613a BGB, Rn. 362). Argument ist die Vertragsautonomie.

Dieser Auffassung schließt sich das LAG mit den Argumenten an, allgemeine Einwände ständen einem Verzicht nicht entgegen und § 613a BGB sei dispositives Recht. Das System des § 613 BGB sei Schutzrecht des betroffenen Arbeitnehmer: „Dieser Schutzzweck erfordert keine Beschränkung der Vertragsfreiheit. Den Arbeitnehmern steht es weiterhin frei, eine Überleitungsvereinbarung zu schließen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, auf das Widerspruchsrecht zu verzichten.“

Aus diesem Grunde konnte der klagende Schlachthofmitarbeiter dem Betriebsübergang auf die später insolvent gegangene Produktions-GmbH nicht mehr widersprechen, weil er zuvor sein Einverständnis zur Weiterbeschäftigung bei dieser Produktions-GmbH gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber und dieser Produktions-GmbH geäußert hatte, mithin auf das Widerspruchsrecht gem. § 613a Abs. 6 BGB verzichtet hatte.

Angemerkt sei noch, dass regelmäßig ein konkludenter Verzicht auf das Widerspruchsrecht vorliegt, wenn sich der Arbeitnehmer mit dem bisherigen oder dem neuen Inhaber über den Übergang des Arbeitsverhältnisses verständigt, also sein Einverständnis mit der Weiterbeschäftigung beim neuen Arbeitgeber erklärt (so das BAG v. 19.03.1998 – 8 AZR 139/97; HWK-Willemsen/Müller-Bonanni, a.a.O.). Das ist der eleganteste Weg des „Verzichts“ in der Personalpraxis.

RA FAArbR Dr. Detlef Grimm ist Partner bei Loschelder Rechtsanwälte, Köln. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Mitautor des Arbeitsrecht Handbuchs (Hrsg. Tschöpe) sowie des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Hrsg. Groeger).

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.