Man ist es gewohnt, dass jede Prüfung mit einem Ergebnis endet. Das Ergebnis ist zumeist eine Entscheidung, die denjenigen, die sie angeht, bekannt gegeben wird. Entscheidungen können in einem Rechtsstaat in der Regel Gegenstand einer weiteren Prüfung sein, nämlich durch die Gerichte. Bestimmte Prüfungsergebnisse unterliegen allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, z.B. Prüfungen zum Abschluss eines Hochschulstudiums oder Staatsexamina.
Entscheidungen, die der Arbeitgeber gestützt auf sein Weisungsrecht nach § 106 GewO trifft, müssen, wie das BAG entschieden hat, nicht nur im Zweifel, sondern in jedem Fall billigem Ermessen standhalten. Ob dies der Fall ist, unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Ob in Bezug auf eine konkrete Weisung des Arbeitgebers das Arbeits- und das Landesarbeitsgericht § 106 GewO und § 315 BGB auf den zugrunde liegenden Sachverhalt zutreffend angewendet haben, kann das Bundesarbeitsgericht revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfen.
Unterliegt die Entscheidung eines Arbeitgebers, der sich verpflichtet hat, eine für die Berechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes relevante Obergrenze in bestimmten Abständen zu überprüfen, einer gerichtlichen Ãœberprüfung und ist sie an § 315 BGB zu messen? Diese Frage lag dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zur Entscheidung vor und es hat sie mit Urteil vom 12.4.2018 (4 Sa 360/17, ArbRB Online) verneint. In einem 1996 aufgelegten Leistungspaket des Arbeitgebers hieß es unter anderem: „Für das zusätzliche erfolgsbezogene Urlaubs- und Weihnachtsgeld gilt eine Bemessungs-Obergrenze eines entsprechenden Monatsentgelts von zZt. DM 8.000,–. Diese Obergrenze wird alle 2 Jahre überprüft.“
Das Arbeitsgericht war der Ansicht, dass es sich bei der Regelung schon nicht um eine erzwingbare Verpflichtung, jährlich generell oder unter bestimmten Voraussetzungen über eine in der Anhebung der Obergrenze liegende Gehaltserhöhung zu entscheiden, handele. Der Bestimmung lasse sich nicht zuverlässig entnehmen, dass sich der Arbeitgeber damit seiner Freiheit begeben hätte, über Gehaltserhöhungen jeweils autonom zu entscheiden. Eine solche Lesart folge weder aus dem Wortlaut, dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang noch aus der Gesamtbetrachtung der Leistungsvereinbarung. Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung billigen Ermessens bei Weihnachtsgratifikationen beziehungsweise bei Ermessensboni lasse sich nichts ableiten. Dem ist das Landesarbeitsgericht jedoch nicht gefolgt. Der Arbeitgeber habe damit nicht lediglich etwas unverbindlich in Aussicht gestellt, sondern sich vertraglich verpflichtet, die Überprüfung alle zwei Jahre vorzunehmen. Von einer unverbindlichen Absichtserklärung könne daher bereits angesichts des Wortlautes keine Rede sein.
Allerdings erschöpft sich dem Wortlaut nach diese Verpflichtung in einer bloßen Ãœberprüfung. Weitergehende Handlungspflichten oder Parameter, an denen die Ãœberprüfung vorzunehmen ist, sind dem Wortlaut der Regelung nicht zu entnehmen. Ãœberprüfen bedeutet nach dem Synonymwörterbuch (Duden, 6. Auflage) unter anderem einer Prüfung unterziehen, kontrollieren, nachprüfen, bedenken, sich durch den Kopf gehen lassen, erwägen oder in Betracht ziehen. Darin erschöpft sich aber auch der Wortlaut. Weitergehende Handlungspflichten oder gar Parameter, anhand derer die Ãœberprüfung stattzufinden hat, lassen sich aus der bloßen Verwendung des Wortes „überprüft“ nicht ableiten. Diese Pflicht zur Ãœberprüfung sei auch nicht sinnlos. Sie gewinne ihre betriebliche Bedeutung aus dem Umstand, dass sie vom Arbeitgeber die Durchführung eines Verfahrens verlange, das im Interesse der Mitarbeiter liege. Der Arbeitgeber muss sich also jeweils im Abstand von zwei Jahren mit der Anpassung der Obergrenze befassen. Erhöht er sie nicht, obwohl nach Auffassung der Mitarbeiter Gründe dafür bestehen, so gerät er gegenüber den Mitarbeitern und dem Betriebsrat unter einen in der betrieblichen Praxis nicht zu unterschätzenden Legitimations- und Begründungsdruck, wenn er gleichwohl von einer Erhöhung der Obergrenze absieht. Ähnlich hat bereits das BAG entschieden, auf dessen Beschluss sich das Landesarbeitsgericht stützt (BAG vom 21.1.2003 – 1 ABR 5/02, ArbRB 2003, 138 [Mues]). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BAG anhängig (10 AZR 341/18).
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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