Spätestens in ein bis zwei Wochen werden größere Mengen Urlauber auch aus dem Ausland zurückkehren. Dann stellt sich für Arbeitgeber die Frage, was zu veranlassen ist, insbesondere bei der Rückkehr aus Risikogebieten bzw. Ländern, für die eine Reisewarnung wegen der Corona-Pandemie besteht.
1. Risikogebiet nach Robert-Koch-Institut (RKI) bzw. Reisewarnung des Auswärtigen Amtes
Das Auswärtige Amt (https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762) warnt aktuell vor nicht notwendigen, also touristischen Reisen ins Ausland, wenn es sich nicht um die meisten Länder der EU, Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein, Großbritannien handelt. Es kann zu neuen Reisewarnungen kommen, insbesondere wenn der bekannte Faktor „50 Fälle pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen“ überschritten ist. Von der Teilnahme an Kreuzfahrten rät das Auswärtige Amt wegen der besonderen Risiken dringend ab.
Nach der Muster-Verordnung des Bundes besteht eine 14-tägige Quarantänepflicht nur noch für Personen, die aus einem Risikogebiet – definiert durch das RKI – in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Ein Risikogebiet liegt vor, wenn anhand verschiedener quantitativer und qualitativer Kriterien (v.a. Neuinfiziertenzahl bei mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern, durch den Staat erlassene Schutzmaßnahmen) festgestellt wird, dass dort zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht.
Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes führt nicht zur Pflicht, sich nach den Covid-Regelungen der einzelnen Bundesländer in eine Quarantäne zu begeben. Dies liegt daran, dass ein Land, für das eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht, nicht zwingend ein Risikogebiet ist.
Meistens stimmt dies aber überein: Für die nach den Kriterien des RKI festgelegten Risikogebiete besteht auch eine Reisewarnung. Die Liste der Risikogebiete befindet sich auf der Homepage www.rki.de in der Rubrik „Merkblatt Reisende“. Reist man aus den Risikogebieten in die Bundesrepublik Deutschland ein, muss man sich unverzüglich nach der Einreise für einen Zeitraum in die häusliche Quarantäne (sogenannte Absonderung) begeben.
Die konkrete Umsetzung erfolgt durch die Rechtsverordnungen der Bundesländer. Es kann sich also eine von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Behandlung ergeben. In NRW ist die Quarantäneverpflichtung in § 1 Abs. 1 und Abs. 4 der Coronaeinreiseverordnung – CoronaEinrVO geregelt. Nach § 1 Abs. 2 CoronaEinrVO NW müssen die Einreisenden das Gesundheitsamt von sich aus auf die Einreise aus einem Risikogebiet hinweisen und unterliegen nach § 1 Abs. 3 der Beobachtung durch das zuständige Gesundheitsamt.
Ergänzung 5.8.2020: Nach § 2 Abs. 2 Satz  1 und 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Bezug auf Ein- und Rückreisende (Coronaeinreiseverordnung – CoronaEinrVO) vom 1.7.2020 in der ab dem 12.8.2020 geltenden Fassung des Landes NRW besteht keine Quarantäne- und Meldepflicht beim Gesundheitsamt, wenn ein fachärztliches Zeugnis oder ein Laborbefund einer molekularbiologischen Testung vorliegt, dass keine Anhaltspunkte für Corona-Infektion vorliegen und das Zeugnis nicht älter als 48 Stunden vor der Einreise ist. Wenn die Testung erst nach der Einreise erfolgt, besteht die Quarantäne– und Meldepflicht beim Gesundheitsamt bis zum Vorliegen des (negativen) Testergebnisses, § 2 Abs. 2 Satz 5 CoronaEinrVO.
Die Liste der Risikogebiete finden sie unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Transport/Archiv_Risikogebiete/Risikogebiete_26062020_17_15Uhr.pdf?__blob=publicationFile.
Ergänzung 21.8.2020: Personen, die aus Risikogebieten in die Bundesrepublik einreisen, können darüber hinaus vom Gesundheitsamt nach § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 der Verordnung zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 6. August 2020 des Bundesministeriums für Gesundheit (Bundesanzeiger AT 07.08.2020 V1) verpflichtet werden, einen Corona-Test durchzuführen. Auf diese Verordnung verweist auch das Landesrecht, beispielsweise § 1 Abs. 5 CoronaEinrVO NW.
2. Fragerecht des Arbeitgebers nach der Urlaubsrückkehr aus Risikogebieten
Auch wenn einzelne Verordnungen – wie zum Beispiel diejenigen in Bayern – Ausnahmen von der Quarantänepflicht bei Reisen aus triftigem Grund vorsehen, besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers.
Dies deshalb, weil der Arbeitgeber eine Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern zur Erhaltung der Gesundheit hat (§§ 241 Abs. 2, 618 BGB). Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer nach § 618 BGB vor einer Ansteckung durch erkrankte Arbeitskollegen und vor einer Infektion durch Dritte schützen. Das gilt gegenwärtig insbesondere für das Corona-Virus (ausdrücklich für Corona und absolut zutreffend HWK-Krause, 9. Aufl. 2020, § 618 BGB, Rz. 22).
Deshalb muss der Arbeitgeber alles Zumutbare tun, Risiken für die anderen Beschäftigten abzuwenden. Dazu muss er die Risiken kennen. Dies bedingt die datenschutzrechtliche Erforderlichkeit der Befragung der Arbeitnehmer gemäß § 26 Abs. 1, 3 BDSG und andererseits die Verpflichtung der Arbeitnehmer (abgeleitet aus § 241 Abs. 2 BGB), die Fragen nach der Gesundheit zu beantworten.
Zudem wird durch die Pflicht, sich nach der Einreise unverzüglich auf direktem Weg in die „eigene Häuslichkeit“ (so die Formulierung des § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinrVO NW, sanktioniert nach § 3 Nr. 1 CoronaEinrVO NW) zu begeben und dort 14 Tage zu bleiben, die Erfüllung der Arbeitspflicht unmöglich. Der Arbeitgeber darf m.E. fragen, ob der Erfüllung der Hauptleistungspflicht Hindernisse entgegenstehen.
Daneben besteht m.E. aufgrund der öffentlich-rechtlichen Offenbarungspflicht (wie beispielsweise nach § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaEinrVO NW) und des vorangegangenen gefährlichen Tuns (Ingerenz) durch die Reise in das Risikogebiet eine aus § 241 Abs. 2 BGB abgeleitete Offenbarungspflicht. Insoweit bietet sich eine Parallele zur Offenbarungspflicht hinsichtlich der Alkoholabhängigkeit bei der Bewerbung um eine Stelle als Kraftfahrer an oder der Gefährdung Dritter durch eine ansteckende Krankheit (zu diesen Fallgruppen HWK-Thüsing, 9. Aufl. 2020, § 123 BGB, Rz. 33) an.
3. Pflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist nach § 618 BGB verpflichtet, die Einhaltung der Quarantänemaßnahmen bei der Einreise aus einem Risikogebiet umzusetzen:
- Im Rahmen der ordnungsgemäßen Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber auch einseitig Home-Office anordnen. Dies entspricht billigem Ermessen, weil es die Ansteckungsgefahr der anderen beschäftigten Arbeitnehmer ausschließt. Dies gilt im besonderen Maße, weil sich – jedenfalls im Regelfall – die Befugnis zur Anordnung des Home-Office (auch ohne arbeitsvertragliche oder betriebsverfassungsrechtliche Rechtfertigung) auf den Zeitraum der Quarantäne nach der Einreise aus dem Risikogebiet beschränkt, mithin auf den Zeitraum von 14 Kalendertagen (so z.B. § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinrVO NW).
- Ist die Durchführung der Arbeit im Home-Office tatsächlich nicht möglich und/oder weigert sich der Arbeitnehmer, im Home-Office tätig zu werden, ist es dem Arbeitnehmer aufgrund der in den Regelungen der Bundesländer angeordneten Quarantäneverpflichtungen unmöglich, die tatsächlich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es handelt sich um einen Fall des § 275 Abs. 1 BGB.
- Daher entfällt die Verpflichtung zur Leistung der Gegenleistung, § 326 Abs. 1 BGB. Es besteht somit kein Lohnanspruch.
- Zugleich ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer zu suspendieren und des Betriebes zu verweisen, um die Gesundheitsinteressen der anderen beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu beschädigen und seiner diesbezüglich bestehenden Schutzpflicht nachzukommen.
4. Weiter bestehender Lohnanspruch aus § 616 BGB?
Zu denken ist noch, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt behält, wenn er für eine „verhältnismäßig nicht unerhebliche Zeit“ an der Erbringung der Dienstleistung verhindert ist.
Zwar dürfte es sich bei der Quarantäne um ein persönliches Leistungshindernis handeln (für Fälle behördlich angeordneter Quarantäne wegen Corona-Infektionen HWK-Krause, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB, Rz. 22; Grimm, DB 2020, 1177, 1179).
Hier bestehen aber in der weiteren Prüfung mehrere Problempunkte:
- Einmal ist der Anspruch auf eine verhältnismäßig kurze Zeit beschränkt. Der BGH hatte im Urteil vom 30.11.1978 (III ZR 43/77,  NJW 1979, 422, 425) sechs Wochen noch als kurzzeitige Verhinderung gewertet. Ungeachtet des Umstandes, dass es sich hier um eine Einzelfallentscheidung gehandelt haben dürfte, dürfte die verhältnismäßig kurze Zeit bei ereignisbezogener Sicht eher eine Woche oder fünf Tage betragen (dazu Grimm, DB 2020, 1177, 1180). Wird die Erheblichkeitsschwelle überschritten, entfällt der Anspruch vollständig (Hohenstatt/Krois NZA 2020, 413, 416; Grimm, a.a.O.).
- Es ist sehr zweifelhaft, ob die Norm in den Zeiten der Pandemie überhaupt anwendbar ist. Sie scheint nach den bisher ergangenen Entscheidungen Einzelfälle zu betreffen. Darauf deutet die Rechtsprechung des BGH aber auch des LG Düsseldorf (zitiert und nachgewiesen bei Grimm, DB 2020, 1177, 1179) hin. Auch HWK/Krause, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB, Rn. 35 scheint dies so zu sehen, wenn er § 616 BGB nicht auf Epidemien als objektive Leistungshindernisse anwenden will (folgend Grimm, a.a.O.). Liegt eine allgemeine Risikoeinschätzung durch das RKI („Risikogebiet“ infolge Einstufung durch RKI, Auswärtiges Amt und Bundeministerium des Inneren, für Bau und Heimat nach § 1 Abs. 4 Satz 2 CoronaEinrVO NW) vor, handelt es sich nicht mehr um ein im persönlichen Bereich des Arbeitnehmer wurzelnden Grund, sondern um ein objektives Leistungshindernis.
- Den Arbeitnehmer darf an der Verhinderung kein Verschulden treffen. Reist der Arbeitnehmer zu touristischen Zwecken ins Ausland und insbesondere in von RKI als Risikogebiet nach § 1 Abs. 4 Satz 2 CoronaEinrVO NW eingestufte Länder, trifft ihn ein solches Verschulden, weil die Quarantäneverpflichtung des § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinrVO NW rechtstechnisch „automatisch“ folgt. Damit hat der Arbeitnehmer gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen (dazu HWK/Krause, 9. Aufl. 2020, § 616 BGB, Rn. 44 m.w.N. aus der Rspr.). Das gilt in besonderem Maße, wenn der Arbeitgeber – was wirklich zu empfehlen ist – auf die aktuellen Risikogebiete des RKI bzw. die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes hingewiesen hat. Diese Rechtslage sollte der Arbeitgeber beherzigen und Geldansprüche auch nicht aus § 616 BGB gewähren. Es ist nach jetziger herrschender Meinung nicht zu erwarten, dass Entschädigungsleistungen nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) geleistet werden. Denn die Quarantäne beruht nicht auf einer behördlichen (Einzelfall) Anordnung, sondern auf den Verordnungen der einzelnen Bundesländer. Hier wird man aber die Rechtsentwicklung abwarten müssen. Entscheidungen zur aktuellen Lage bestehen natürlich noch nicht.
5. ToDo´s im Betrieb
Sinnvoll ist es, die Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt über die Folgen und die notwendige Beachtung der Risikogebietszuordnung durch das RKI bzw. die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes zu unterrichten. Für den Fall der Quarantäneanordnung bzw. -verpflichtung – die bei Rückkehr aus einem Risikogebiet automatisch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 CoronaEinrVO NW folgt – sollte den Arbeitnehmern schon jetzt verdeutlicht werden, dass dann Entgeltfortzahlungsansprüche – die ich nicht näher bezeichnen würde – entfallen.
Zudem ist ein Fragebogen – gegebenenfalls unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG – zu erstellen, indem die Mitarbeiter bei der Rückkehr in den Betrieb verbindlich erklären, ob und in welchem Risikogebiet (nach RKI) sie waren. Dies beinhaltet auch, dass sie den Ort der Reise angeben müssen, weil dies zur abschließenden Bewertung der Corona-bedingten Risiken und damit auch nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erforderlich ist.
6. Sonderfall Beamte
Auch Beamten kann nach einem Urlaub in einem Corona-Risikogebiet ein Gehaltsentzug drohen, so hat am 1.7.2020 SPIEGEL online ergänzend berichtet.
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