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Entwurf eines Arbeitsschutzkontrollgesetzes – oder: Wenn die Unternehmerfreiheit „geschlachtet“ wird

avatar  Wolfgang Kleinebrink

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) vorgelegt. Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik Deutschland wird darin die Unternehmerfreiheit ohne ausreichende Rechtfertigung eingeschränkt, so dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Entgegen dem Eindruck in der Öffentlichkeit ist die gegenwärtige Pandemie nicht der Grund für dieses Gesetzesvorhaben, sondern lediglich der Anlass.

Kernstück des Entwurfs ist der neue § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft. In dessen Abs. 1 wird ein Unternehmer verpflichtet, einen Betrieb oder eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, als alleiniger Inhaber zu führen. Die gemeinsame Führung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation durch zwei oder mehrere Unternehmen ist unzulässig. Damit ist offensichtlich gewollt, die Bildung von Gemeinschaftsbetrieben zu verhindern oder die Möglichkeit, durch Ausgliederungen betriebsorganisatorische Maßnahmen umzusetzen, zu verhindern. Dies wird damit begründet, auf diese Weise Kontrollen erleichtern zu wollen. Dies stellt aber keinen Rechtfertigungsgrund für einen so massiven Eingriff in die Unternehmerfreiheit und das Eigentum dar. Der Gesetzgeber würde damit in die Gestaltung der Art und Weise eingreifen, wie das Unternehmen geführt und geleitet werden soll. Verschärft wird dieser nicht gerechtfertigte Eingriff weiter dadurch, dass nach § 6a Abs. 3 des Entwurfs der Inhaber abweichend vom Betriebsverfassungsgesetz definiert wird. Der in Entwurf vorgesehene Begriff des Inhabers ist im deutschen Arbeitsrecht bisher fremd. Erhebliche Rechtsunsicherheiten werden die Folge sein.

Ferner verbietet § 6 Abs. 2 des Entwurfs dem Inhaber im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung Leiharbeitnehmer oder Personen aufgrund eines Werkvertrages einzusetzen. Die Gesetzesbegründung betont, dass auch der Fremdpersonaleinsatz innerhalb von Konzernen oder Unternehmensgruppen insoweit unzulässig ist. Erlaubt ist lediglich die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen von bestehenden Arbeitsverhältnissen. Ausdrücklich betont der Entwurf, dass der Inhaber in diesen Bereichen keine Selbständigen tätig werden lassen darf. Außerdem darf ein Dritter in diesen Bereichen keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und keine Selbständigen tätig werden lassen.

Tatsächlich geht es in dem Entwurf vorrangig nicht um den Gesundheitsschutz. Die gegenwärtige Pandemie wird nur zum Anlass genommen, andere Ziele zu verwirklichen. Dies wird aus der Gesetzesbegründung deutlich. So wird in der Begründung zum Entwurf betont, dass die umfassende Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb das Ziel ist. Durch die Begründung von Arbeitsverhältnissen unmittelbar mit dem Inhaber des Fleischbetriebes seien die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sämtlich gleichermaßen aktiv und passiv zum Betriebsrat ihres Tätigkeitsbetriebs wahlberechtigt. Bislang – so der Entwurf – sind Werkvertragsarbeitnehmerinnen und Werkvertragsarbeitnehmer nicht, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer unter bestimmten Umständen allenfalls aktiv wahlberechtigt. Der Betriebsrat könne sich für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Betriebes einsetzen, was sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur im Hinblick auf arbeitsrechtliche Aspekte, sondern auch im Hinblick auf Gesundheitsschutz positiv auswirken könne. Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass durch die dadurch entstehende Vergrößerung der Stammbelegschaft dem Betriebsrat im Einsatzbetrieb größere Ressourcen bereitgestellt werden. Zitiert wird in diesem Zusammenhang ein Fachbeitrag, der sich mit einer vermeintlichen prekären Demokratie beschäftigt. Die gewünschte Stärkung von Betriebsräten ist aber kein Rechtfertigungsgrund für derartige Eingriffe in die verfassungsrechtlich durch Art. 12 GG geschützte Unternehmerfreiheit (zur möglichen Verfassungswidrigkeit des Verbots von Werkverträgen auch Bayreuther, NZA 2020, 773).

Bedenkt man außerdem, welche Auswirkungen auf vertragliche und organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten das ebenfalls auf den Weg gebrachte Lieferkettengesetz hätte, kann man nicht nur – wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.7.2020 in einem Leitartikel – zum Ergebnis kommen, dass ein „Schlachtfest in der Fleischindustrie“ stattfindet, auf der Schlachtbank befindet sich die unternehmerische Freiheit insgesamt. Eine Verantwortung für die Unternehmen in Deutschland ist bei derartigen Gesetzesvorhaben nicht mehr erkennbar. Sollten die im Entwurf des Arbeitsschutzkontrollgesetzes beabsichtigten gesetzlichen Regelungen in Kraft treten, ist mit Sicherheit mit einem Gang nach Karlsruhe zu rechnen.

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