Mobile Arbeit und Homeoffice sind ohne Zweifel die Gewinner der Pandemie. Während Unternehmen die zunehmende Flexibilität häufig als Baustein ihres Employer-Branding betrachten, treten Arbeitsrechtler auf die Bremse: fehlende Kontrollmöglichkeiten, umfassende Vorgaben des Arbeits- und Datenschutzes sowie unklare Beendigungsmöglichkeiten bergen rechtliche Risiken. Vereinbarungen zur mobilen Arbeit und Homeoffice werden daher immer umfangreicher und enthalten regelmäßig konkrete Beendigungsmöglichkeiten, die von Widerrufsvorbehalten über Kündigungsrechte bis hin zu (erweiterten) Weisungsrechten reichen. Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des LAG Nürnberg vom 11.5.2021 (7 Sa 289/20) befasst sich mit einigen praxisrelevanten Themen im Zusammenhang mit entsprechenden Beendigungsmöglichkeiten.
1. Darum ging es
Bei der Beklagten waren die Voraussetzungen der alternierenden Telearbeit – also der abwechselnden Arbeit im Büro und im Homeoffice – in Betriebsvereinbarungen festgelegt. Dort war der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vorgesehen, wenn bestimmte Voraussetzungen an den häuslichen Arbeitsplatz erfüllt waren. Der Arbeitgeber hatte zudem das Recht, beim Vorliegen eines „betrieblichen Grundes“ die Telearbeit unter Beachtung gewisser Fristen und Beteiligung des Betriebsrates zu beenden. Beim Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ i.S.d. § 626 BGB war eine Beendigung mit sofortiger Wirkung vorgesehen.
Die Parteien haben auf dieser Grundlage im Jahr 2015 eine Zusatzvereinbarung zur Telearbeit abgeschlossen und dort auf die Regelungen der Betriebsvereinbarungen Bezug genommen. Nachdem es zu einigen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien kam, hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Rückversetzung der Klägerin in die Präsenzarbeit zum 1.5.2019 an. Nach Zustimmung des Betriebsrates kündigte der Arbeitgeber die Vereinbarung zur Telearbeit wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten zum 30.4.2019. Die Klägerin begehrt mit der Klage unter anderem, ihre Tätigkeit weiterhin in Telearbeit auszuüben.
2. Teilkündigung, Umdeutung, Betriebsratsanhörung – Entscheidung des LAG Nürnberg
Das LAG hat zunächst festgestellt, dass die geregelte Beendigungsmöglichkeit nicht an den Widerrufsvorbehalt, sondern an das Kündigungsrecht angelehnt sei. Die Betriebsparteien hätten ein Recht zur Teilkündigung vereinbart, welches von den Arbeitsvertragsparteien durch Bezugnahme in die Zusatzvereinbarung zur Telearbeit übernommen worden sei. Eine solche Teilkündigung einzelner Vertragsbestandteile sei nur wirksam vereinbart, wenn weder zwingende Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes umgangen noch gegen die Vorgaben der §§ 305 ff. BGB verstoßen werde. Gemessen daran sei das vereinbarte Teilkündigungsrecht nach Ansicht der Kammer wirksam:
- Durch die Beendigung der Zusatzvereinbarung zur Telearbeit werde nicht in die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten eingegriffen und würden keine zwingenden kündigungsschutzrechtlichen Vorgaben umgangen. Durch die Zusatzvereinbarung sei lediglich eine vertragliche Einschränkung des dem Arbeitgeber zukommenden Weisungsrechts in Bezug auf den Ort der Arbeitsleistung erfolgt. Daher könne auch die Kündigung einer solchen Vereinbarung vorgesehen werden.
- Die Regelung halte auch einer AGB-Kontrolle stand. Da die Zusatzvereinbarung den Text aus einer Betriebsvereinbarung übernehme, spreche bereits viel für eine Kontrollfreiheit der Regelung (§ 310 Abs. 4 Satz 3 BGB). Aber auch darüber hinaus sei kein Verstoß gegen das AGB-Recht ersichtlich.
Nicht möglich sei jedoch die Kündigung der Zusatzvereinbarung ohne Einhaltung der geregelten Kündigungsfristen. Dazu hätte es eines „wichtigen Grundes“ bedurft, der vorliegend nicht gegeben war. Das LAG hat jedoch eine Umdeutung der Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt als möglich erachtet (§ 140 BGB). Diese umgedeutete Teilkündigung bedürfe dann aber ebenso der Zustimmung des Betriebsrates. Nach Ansicht der Kammer löse schließlich auch die Teilkündigung das Mitbestimmungsrecht des § 102 BetrVG aus. Auch liege jedenfalls deshalb eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vor, weil dies in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen gewesen sei. Im Ergebnis – so die Kammer weiter – sei in der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Teilkündigung aber auch eine Zustimmung zur ordentlichen und fristgerechten Kündigung zu sehen.
Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Kündigung richte sich nach den Regelungen in der Betriebsvereinbarung und damit nach dem Vorliegen eines „betrieblichen Grundes“. Mit Blick auf unterschiedliche Pflichtwidrigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung hat das LAG die Kündigung als rechtmäßig erachtet. Die Telearbeit der Klägerin sei daher unter Beachtung der vorgesehenen Kündigungsfristen zum 31.10.2019 beendet worden.
3. Praktische Folgen – Widerruf, Kündigung oder Weisungsrecht?
Das Urteil behandelt einige grundsätzliche Themen und besitzt daher eine hohe praktische Relevanz insbesondere für die Vertragsgestaltung bzw. die Verhandlung einschlägiger Betriebsvereinbarungen. Folgende Punkte lassen sich festhalten:
- Werden Beendigungsmöglichkeiten für die mobile Arbeit vorgesehen, ist dies zunächst in Form eines Widerrufsvorbehaltes oder Kündigungsrechts denkbar. Die Vereinbarung einer Teilkündigung ist dabei grundsätzlich möglich. Sowohl im Fall des Widerrufsvorbehaltes als auch bei der Kündigung sollten beispielhaft einige Beendigungsgründe genannt werden. Dazu können neben den „betrieblichen Gründen“ insbesondere die Nichtbeachtung konkreter Anforderungen durch den Beschäftigten, bspw. zum Daten- oder Arbeitsschutz, zählen. Insofern sollte der Spagat zwischen praktisch handhabbaren Beispielen und möglichst allgemeingültigen Formulierungen gelingen. Zu beachten ist, dass durch solche Klauseln das Weisungsrecht des Arbeitgebers begrenzt wird.
- Alternativ kann sich daher die Aufnahme einer Versetzungsklausel anbieten. Die Weisung zurück in den Betrieb ist Ausübung des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes. Allerdings muss auch in diesem Fall die konkrete Weisung billigem Ermessen entsprechen. Das LAG München hat in einer aktuellen Entscheidung die Prüfung des billigen Ermessens als „Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit“ zusammengefasst (Urteil v. 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21). Die in der Regel gewünschte Rechtssicherheit ist auch so nur schwerlich erreichbar.
- Unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung kommt es daher im Ergebnis auf den Einzelfall an. Arbeitgeber sind gut beraten, konkrete Vorfälle zu dokumentieren und Gründe für die Beendigung der mobilen Arbeit und des Homeoffice im Zweifel darlegen zu können.
- Schließlich geht mit der Weisung zur Rückkehr in den Betrieb regelmäßig eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG einher (vgl. LAG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14, ArbRB 2015, 10 [Hülbach]). Ob darüber hinaus im Fall der Teilkündigung auch eine Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG besteht, erscheint zwar fraglich, sollte in der Praxis aber sicherheitshalber beachtet werden.