§ 41 Satz 3 SGB VI bestimmt, dass, wenn eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben können.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat ua. vor jeder Einstellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Dem Betriebsrat steht bei einer auf einer Hinausschiebensvereinbarung nach § 41 Satz 3 SGB VI beruhenden Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über die tarifliche Altersgrenze hinaus ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu (BAG, Beschl. v. 22.9.2021 – 7 ABR 22/20).
Die Weiterbeschäftigung über die tarifliche Altersgrenze hinaus ist nicht von der Zustimmung zu der ursprünglichen Einstellung umfasst. Die Beteiligung des Betriebsrats reicht im Fall einer tariflichen Altersgrenze, wie bei jeder befristeten Einstellung, zunächst nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie umfasst nicht die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über das für das Erreichen der tariflichen Altersgrenze vorgesehene Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Der Arbeitgeber nimmt mit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über das zunächst vorgesehene Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus eine neue personelle Maßnahme vor (ähnlich BVerwG v. 1.2.1989 – 6 P 2/86, ZTR 1989, 323 zu § 64 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) HPVG).
Zwar ist der Betriebsrat nach der Entscheidung des 1. Senats des BAG vom 7.8.1990 (1 ABR 68/89 –BAGE 65, 329) nicht erneut nach § 99 BetrVG zu beteiligen, wenn ein befristetes Probearbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt wird, sofern dem Betriebsrat vor der Einstellung zur Probe mitgeteilt worden ist, der Arbeitnehmer solle bei Bewährung auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt werden. Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen können jedoch nicht auf die Weiterbeschäftigung über das Ende eines auf das Erreichen der Altersgrenze befristeten Arbeitsverhältnisses hinaus übertragen werden, da sich die befristete Beschäftigung im Anschluss an ein Probearbeitsverhältnis grundsätzlich von einer Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses unterscheidet.
Auch der Umstand, dass das Bundespersonalvertretungsgesetz für das Hinausschieben des Eintritts von Beamtinnen oder Beamten in den Ruhestand und die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern über die Altersgrenze hinaus in § 78 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG einen gesonderten Mitbestimmungstatbestand vorsieht, spreche nicht gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Das BAG ist der Ansicht, dass § 78 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG lediglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sei (a.A. im Hinblick auf § 75 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG a.F. Thüsing in Richardi, BetrVG, 16. Aufl., § 99 Rn. 42). § 78 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG sei ohne eigenen Regelungsgehalt, da die Weiterbeschäftigung über eine Altersgrenze hinaus bereits vom Mitbestimmungsrecht aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG erfasst werde (Kaiser/Annuß in Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, 5. Aufl, § 75 Rn. 132). Auch personalvertretungsrechtlich sei die Beschäftigung nach dem Ende eines befristeten Arbeitsvertrags als Einstellung zu werten (so BVerwG v. 13.2.1979 – 6 P 48/78, BVerwGE 57, 280 zu § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG).
Die Entscheidung des BAG kann im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung nicht wirklich überraschen. Jedoch ist die Leichtigkeit, mit der das BAG die normativen Unterschiede zwischen dem BetrVG und dem BPersVG einebnet und einen eigenständigen Mitbestimmungstatbestand des eigenen Regelungsgehalts entkleidet und die Vorschrift zum Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens degradiert (zur Historie siehe BT Dr.s 7/176, S. 16, 33 f.; BT-Drs. 7/1339, S. 35), bemerkenswert (zur Auslegung von Gesetzen siehe BAG v. 7.9.2021 – 9 AZR 571/20). Das Verständnis von Recht als Wissenschaft, das dem Vortrag Julius von Kirchmann´s vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin unter dem Titel „Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft“ zugrunde liegt, wird nicht durch die Wendung von den berühmten drei berichtigenden Worte des Gesetzgebers, die ganze Bibliotheken zu Makulatur machen können, charakterisiert, jedoch hätte man sich um der Rechtskultur willen doch eine sorgfältigere Begründung des BAG in diesem Punkt gewünscht.
RA FAArbR Axel Groeger
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