Im Rahmen von Compliance muss unbedingt vermieden werden, dass für das Unternehmen handelnde Personen Straftatbestände verwirklichen. Dies gilt auch, wenn es um die Festlegung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder geht.
Die Ausgangslage
Nach § 37 Abs. 1 BetrVG ist das Betriebsratsamt ein unentgeltliches Ehrenamt. Aus § 37 Abs. 2 BetrVG folgt allerdings, dass den Mitgliedern des Betriebsrats ihr Lohnausfall ersetzt werden muss. Ferner darf nach § 37 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Um diesen Zweck zu erreichen, stellt das Gesetz nicht auf die hypothetische Entwicklung des Betriebsratsmitglieds ab, sondern auf die Gehaltsentwicklung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht versteht unter einer betriebsüblichen Entwicklung eine solche, die bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit Arbeitnehmer mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hätten.
Die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist nur dann als betriebsüblich anzusehen, wenn dem Betriebsratsmitglied die höherwertige Tätigkeit nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätte übertragen werden müssen oder die Mehrzahl einen solchen Aufstieg erreicht. Entsprechendes ergibt sich aus § 78 Satz 2 BetrVG. Diese Vorschrift verlangt den Nachweis, dass das Betriebsratsmitglied ohne seine Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats mit einer Aufgabe betraut worden wäre, die ihm einen Anspruch auf das begehrte Entgelt gibt, mithin die Darlegung einer anderen schnelleren Entwicklung als diejenige der vergleichbaren Arbeitnehmer.
Das Problem
Umstritten war bisher, ob bei der Frage einer Gehaltserhöhung auch Aspekte eine Rolle spielen können, die das Betriebsratsmitglied allein durch seine Betriebsratstätigkeit verwirklicht.
Die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig:
Das Landgericht Braunschweig hat dies in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 28.09.2021 – 16 KLs 406 Js 59398/16 – aus strafrechtlicher Sicht beurteilt. Angeklagt waren hochrangige Manager eines deutschen Automobilherstellers wegen des Tatbestands der Untreue. Ihnen wurde vorgeworfen, rechtswidrig überhöhte Arbeitsentgelte an freigestellte Betriebsratsmitglieder gezahlt zu haben.
Nach dieser nicht rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts ist eine Bezahlung von Betriebsräten als „Co-Manager“ oder „auf Augenhöhe“ mit den Verhandlungspartnern auf Arbeitgeberseite unzulässig. Eine entsprechende tätigkeitsbezogene Vergütung ist mit dem Betriebsverfassungsgesetz nicht vereinbar. Zugrunde zu legen ist die betriebsübliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer, mithin der typische Normalverlauf. Sonderkarrieren können nicht zugrunde gelegt werden. Die Fähigkeiten und Kenntnisse, die das Betriebsratsmitglied während seiner Zeit im Betriebsrat erwirbt, dürfen keine Berücksichtigung finden.
Dennoch wurden die angeklagten Manager freigesprochen. Dies lag allerdings allein daran, dass ihnen kein Verschuldensvorwurf gemacht werden konnte. Sie unterlagen einem sogenannten Tatbestandsirrtum, da in einem ähnlichen Fall eine Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit das Verfahren nicht weitergeführt hatte und sie deshalb von einer fehlenden Strafbarkeit ausgehen konnten.
Die Folge
Allerdings müssen Arbeitgeber nun diese Rechtsprechung beachten, da sie sich nun nicht mehr auf einen Irrtum berufen können. Sie sollten dies vorsorglich tun, mag die Entscheidung auch nicht rechtskräftig sein. Insbesondere kann eine Vergütung eines Betriebsrats am Managementniveau nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass dem Betriebsratsmitglied zuvor entsprechende Stellen im Management seitens des Arbeitgebers angeboten wurden. Dem steht ebenfalls das Ehrenamtsprinzip entgehen.
Die Empfehlung
Arbeitgeber sollten vor dem Hintergrund dieser Entscheidung überprüfen, ob sie Gehaltsanpassungen bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern, die sie bei vergleichbaren Arbeitnehmern nicht vollzogen haben, rückgängig machen.
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Hinweis der Redaktion
Mehr zum Thema im ArbRB: Wortmann, Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder – Allgemeine Grundsätze und Rechtsprechungsupdate zu § 37 Abs. 2 bis 4 BetrVG, ArbRB 2019, 86 – auch abrufbar im Gratis-Test des Beratermoduls Arbeitsrecht.