Arbeitsrechtliche Regelungen mit großer Tragweite finden sich manchmal in Gesetzen, in denen man es nicht so ohne weiteres vermutet. Ein Beispiel hierfür sind die Referentenentwürfe der Gesetze zur Einführung von Energiepreisbremsen.
Gesetzliche Vorgaben zur Beschäftigungssicherung sind neuerdings in den Entwürfen eines Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen (Strompreisbremsegesetz – StromPBG-RefE) und eines Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für Leitungsbundes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erdgas-Wärme-Preisbremsensgesetz – EWPBG RefE) enthalten.
Ein Letztverbraucher oder Kunde, der ein Unternehmen ist, Arbeitnehmer beschäftigt und auf Grundlage des EWPBG und des StromPBG insgesamt Entlastungen über 2 Mio. € bezieht, muss nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EWPBG-RefE bis zum 30.4.2025 90 % der zum 1.1.2023 vorhandenen Vollzeitäquivalente an Arbeitsplätzen erhalten. Gleiches gilt nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StromPBG-RefE.
Zur Berechnung werden Vollzeitäquivalente benutzt, um auch Teilzeitkonstellationen Rechnung zu tragen (Entwurf EWPBG S. 87; Entwurf StromPBG S. 125). Es erfolgt damit keine Zählung nach Köpfen, wie sie zum Beispiel in § 99 BetrVG oder 106 BetrVG enthalten ist, sondern nach vereinbarten Arbeitszeitstunden. Bei verbundenen Unternehmen gilt diese Arbeitsplatzerhaltungspflicht jeweils für die einzelnen Unternehmen; abweichend von den anderen Vorschriften des StromPBG und des EWPBG findet zur Kalkulation der Höhe von 2 Mio. € keine Konzernbetrachtung statt (Referentenentwurf EWPBG S. 87; Referentenentwurf StromPBG S. 125).
Allerdings gilt diese Arbeitsplatzerhaltungspflicht kraft Gesetzes nicht uneingeschränkt. Beide Gesetze sehen einheitliche Ausnahmen vor. Sie entfällt nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EWPBG-RefE bzw. § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromPBG-RefE, wenn beim Letztverbraucher Tarifverträge oder Betriebsvereinbarung gelten, die Regelungen zu Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen für die Dauer bis zum 30.4.2025 vorsehen. Ausreichend ist nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EWPBG-RefE bzw. § 37 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromPBG-RefE auch, wenn entsprechende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bis zum 30.6.2023 geändert oder abgeschlossen werden.
Die genannten Gesetze enthalten keine Vorgaben, welche Arten von Arbeitsplatzsicherungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen diese Ausnahmetatbestände erfüllen. Nach der Gesetzesbegründung verfügen die Tarif- und Betriebsparteien über die Kompetenz und das verfassungsrechtlich garantierte Recht, z.B. Beispiel Vereinbarungen über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu treffen (Referentenentwurf EWPBG S. 87; Referentenentwurf StromPBG S. 125). Deshalb hat sich der Gesetzgeber entschlossen, Regelungen zu schaffen, die eine Vorrang von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung vorsehen, ohne dass diese verpflichtend abzuschließen wären. Diese Vereinbarungen werden nach der Gesetzesbegründung vorrangig anerkannt. Allerdings richtet sich deren Initialisierung oder Durchsetzung nach den einschlägigen Regeln zwischen den Parteien der Vereinbarung, in die durch diese Gesetze nicht eingegriffen werden soll (Referentenentwurf EWPBG S. 87; Referentenentwurf StromPBG S. 125).
Unterschreiten Unternehmen die Vorgaben der Arbeitsplatzsicherung, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie die dann gewährte Förderung auch tatsächlich zurückzahlen müssen. Der Rückforderungsmechanismus ist – wie die Begründungen vermerken – „ermessensbasiert“. Nach den Entwürfen können nämlich verschiedene Situationen zur Unterschreitung von 90 % der vorhandenen Vollzeitäquivalente führen, die dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden sollen.
Die Entwürfe werfen viele arbeitsrechtliche Fragen auf. Insbesondere wird sich die Frage stellen, welche Regelungen in bereits abgeschlossenen Tarifverträgen den Vorrang vor der gesetzlichen Arbeitssicherungsklausel begründen. Vor dem Hintergrund des dringenden Handlungsbedarfs sind derartige Unklarheiten kontraproduktiv.