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Auflösungsantrag trotz Sonderkündigungsschutz

avatar  Kathrin Schulze Zumkley

Auflösungsanträge betreffend das Arbeitsverhältnis zu einem Betriebsratsmitglied, Wahlbewerber oder einer sonstigen nach § 15 KSchG geschützten Person kommen in der Praxis selten vor, da die Anträge den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung voraussetzen, die betreffenden Personen nach § 15 KSchG aber nur außerordentlich gekündigt werden können.

Wenn aber ein ordentlich gekündigter Arbeitnehmer erst nach Kündigungsausspruch den Sonderkündigungsschutz erlangt oder der Sonderkündigungsschutz bereits wieder entfallen ist, die für die Auflösung angeführten Vorfälle aber (zum Teil) aus einer Sonderkündigungsschutz-Zeit stammen, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber im betreffenden Verfahren „einfach so“ die Auflösung nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG verlangen kann oder ob § 15 KSchG und auch § 103 BetrVG hierauf „ausstrahlen“.

Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in einer kürzlich veröffentlichen Entscheidung u.a. folgende Feststellungen getroffen:

  • § 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 103 BetrVG ist nicht lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG: Ein Auflösungsantrag kann also auch auf Sachverhalte gestützt werden, die sich zu einem Zeitpunkt ereignet haben, zu dem Sonderkündigungsschutz bestand. Dies dürfte nach der Begründung für alle Fälle des § 15 KSchG, also insb. auch § 15 Abs. 1. S. 1 KSchG, gleichermaßen gelten.
  • Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG bedarf nicht analog § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG einer Zustimmung des Betriebsrats.
  • § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG ist auch keiner Analogie dahingehend zugänglich, dass Gründe für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG geeignet sein müssten, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB zu bilden, sofern sie zur Zeit des Bestehens von Sonderkündigungsschutz entstanden sind. Allerdings ist zu beachten, inwiefern die Gründe mit der Amtsausübung im Zusammenhang stehen und deshalb möglicherweise keinen oder nur einen bedingten Schluss auf die Erwartbarkeit einer zukünftigen gedeihlichen Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis zulassen.

Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung klargestellt, dass auch Sachverhalte, die bereits abgemahnt worden sind, zur Begründung eines Auflösungsantrags herangezogen werden können und dass allein der Zeitablauf die Berücksichtigung längere Zeit zurückliegender Sachverhalte als Auflösungsgrund nicht per se ausschließt.

Diese absolut lesenswerte Entscheidung finden Sie hier.

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