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Der Krimi zu Nachtarbeitszuschlägen in unterschiedlicher Höhe – Die 2. Staffel ist noch nicht beendet

avatar  Wolfgang Kleinebrink

Das BAG hat am 20.2.2023 entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss (10 AZR 332/20). Liest man dazu die entsprechenden Pressetexte, kann der Eindruck entstehen, sämtliche Verfahren zur unterschiedlichen Höhe von tarifvertraglichen Nachtarbeitszuschläge seien damit für die Arbeitgeber gewonnen. Immerhin liegen noch etwa 400 Revisionen beim BAG; in den unteren Instanzen sollen noch etwa 4000 Verfahren ruhend gestellt sein. Das BAG hat vielmehr am 9.12.2020 eine Weiche gestellt. Diese führt dahin, dass gleichsam erst die 1. Staffel beendet ist und die 2. Staffel der Krimireihe zu den Nachtarbeitszuschlägen noch läuft.

Die 1. Staffel: Nachtarbeitszuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit

Entschieden hat das BAG bisher lediglich, dass Nachtarbeitszuschläge eine unterschiedliche Höhe haben dürfen, wenn zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit unterschieden wird.

Das BAG hatte am 9.12.2020 in dem Verfahren 10 AZR 332/20 (A) (ArbRB 2021, 163 [Einfeldt]) den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren angerufen. Es richtete an dieses Gericht die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung der Gruppen von Arbeitnehmern, die regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit leisten, nach Art. 20 GRCh durch einen anderen Tarifzweck als den finanziellen Ausgleich der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch die Nachtarbeit gerechtfertigt werden kann. Der EuGH beantwortete diese Frage aber nicht, da eine tarifvertragliche Regelung von Nachzuschlägen nicht in den Durchführungsbereich des Unionsrechts fällt (EuGH v. 7.7.2022 – C-257/21 und C-258/21, C-257/21, C-258/21, Coca-Cola European Partners Deutschland, ArbRB 2022, 226 [Groeger]). Folglich musste das BAG nun folgerichtig die unterschiedliche Höhe für rechtmäßig halten; wäre dies anders, hätte eine Vorlage zum EuGH gar nicht erfolgen dürfen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der unterschiedlichen Höhe der Nachtarbeitszuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in einer früheren Folge der 1. Staffel der Krimireihe zu den Nachtarbeitszuschläge schon einmal bis zum LAG Bremen gelangt war (LAG Bremen v. 10.4.2019 – 3 Sa 12/18). Seinerzeit hatte aber der Automobilkonzern gegen das unterliegende Urteil keine Revision eingelegt. Stattdessen einigte man sich in einem Haustarifvertrag auf einen Zuschlag in Höhe von 25 % pro Stunde für Nachtarbeit. Zusätzlich erhalten Beschäftigte in der Dauernachtschicht 11 freie Tage pro Jahr. Mitarbeiter in Wechselschicht bekommen im Jahr zwei Tage zusätzlich frei (ausf. Kleinebrink, Die Erhöhung tarifvertragliche Nachtzuschläge durch Urteil, NZA 2019, 1458).

Die 2. Staffel: Nachtarbeitszuschläge für Nachtarbeit in einem Schichtsystem und Nachtarbeit außerhalb eine Schichtsystems

Ebenfalls am 9.12.2020 hat das BAG entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag, nach der sich der Zuschlag für Nachtarbeit halbiert, wenn sie innerhalb eine Schichtsystems geleistet wird, gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen kann (10 AZR 334/20). Hinsichtlich dieser Fallgestaltung erfolgte damit keine Vorlage an den EuGH. Infolge dieser Annahme gewährte das BAG den obsiegenden Arbeitnehmern kraft Urteils den höheren Nachtarbeitszuschlag. Es erfolgte gleichsam eine Erhöhung des Nachtarbeitszuschlags durch Urteil. Gegen dieses Urteil hat der unterlegene Arbeitgeber Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erhoben. Das Verfahren ist dort unter dem Az 1 BvR 1109/21 anhängig.

An anderer Stelle wurde bereits ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Entscheidung des BAG verfassungswidrig ist (Kleinebrink, Anmerkung zu BAG vom 9.12.2020 – 10 AZR 334/20, AP Nr. 21 zu § 6 ArbZG). Auf die Argumente soll deshalb nur kurz eingegangen werden.

Das BAG greift mit der Entscheidung gleichsam dreifach in verfassungsrechtlich äußerst bedenklicher Weise in die Tarifautonomie, die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist, ein. Es erlaubt den Tarifpartnern nicht, die unterschiedliche Höhe von Zuschlägen davon abhängig zu machen, ob ein Arbeitnehmer bei Arbeiten in der Nacht in einem Schichtplan eingebunden ist oder ob dies nicht der Fall ist. Ferner greift das Gericht bei einem angenommenen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf den subsidiär geltenden § 6 Abs. 5 ArbZG zurück und überlässt es auch nicht den Tarifvertragsparteien, eine andere Regelung zu vereinbaren, sondern schafft diese neue Regelung selbst. Letztendlich schafft es diese Regelung ohne Rücksicht auf die dadurch bei den betroffenen tarifgebundenen Unternehmen entstehenden zusätzlichen Kosten, indem es die Anpassung auf den höheren Prozentsatz nach oben vornimmt.

Das Bundesverfassungsgericht muss deshalb zum Ergebnis kommen, dass das Urteil des BAG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Das Ende der 2. Staffel der Krimireihe muss der Sieg der Tarifautonomie sein.

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