Entscheidungsbegründungen des BAG im datenschutzrechtlichen Bermudadreieck zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Beschäftigten sind spätestens seit der Entscheidung des 2. Senats zur „Spind-Kontrolle“ eigentlich immer „Must Reads“. Bereits vor über einer Dekade zeigte die vorbezeichnete Entscheidung Arbeitgebern auf, dass bereits durch die bloße Hinzuziehung des Betriebsrats unerwartete datenschutzrechtliche Spannungsfelder entstehen können.
Mit Blick auf die europäische Ebene ist das Thema über die Jahre keinesfalls überschaubarer geworden. Äußert sich das BAG in diesem Kontext, ist damit mittlerweile stets auch eine Stellungnahme zur aktuellen supranationalen DSGVO-Rechtsprechung verbunden. In der in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungsbegründung des 1. Senats zum Beschluss vom 09.05.2023- 1 ABR 14/22 finden sich daher auch wichtige ergänzende Hinweise zur Einordnung der Entscheidung des EuGH vom 30.03.2023 in der Rechtssache C-34/21 und des Vorlagebeschluss des 8. Senats vom 8 AZR 209/21 (A) vom 22.9.2022. Dies betrifft bspw. auch die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des 1. Senats zu § 26 Abs.1 S. 1 BDSG.
Der vorliegende Blog-Beitrag beschränkt sich jedoch allein auf die in der Überschrift aufgeworfene Frage. Sie ist -mit Blick auf die Grundrechtsposition der leitenden Angestellten aus der GrCH und die DSGVO- trotz des eindeutigen Wortlauts der Entscheidung ggf. noch nicht abschließend beantwortet.
Lesehinweis:
Wen nur die Antwort auf diese Frage, nicht aber deren Herleitung und Begründung interessiert, springt gleich ans Ende zur Ziffer IV des Textes. Der Text davor stellt die Entscheidung (I.), die Relevanz der Frage für die Praxis (II.) und einen Aufriss der rechtlichen Spannungsfelder dar, die die Entscheidung hätte aufgreifen können (III.).
I. Die Entscheidung des BAG zur Weitergabe der Namen der schwerbehinderten leitenden Angestellten an den Betriebsrat
- Sachverhalt und Entscheidung
 Der dem Beschluss vom 09.05.2023 – 1 ABR 14/22 zugrundeliegende Sachverhalt lässt sich schnell skizzieren:
Der Betriebsrat hatte unter Verweis auf § 176 SGB IX von einem Unternehmen eine Liste mit den Namen allen im Betreib beschäftigten schwerbehinderten Menschen, einschließlich der leitenden Angestellten, eingefordert. Hintergrund war die mögliche Wahl einer Schwerbehindertenvertretung. Der Arbeitgeber verweigerte mit Blick auf datenschutzrechtliche Bedenken die Herausgabe der Namen. Gleichzeitig teilte er aber mit, dass der für die Errichtung einer Schwerbehinderung notwendige Schwellenwert erreicht sei. Die Schwerbehindertenvertretung wurde gewählt. Der im Anschluss weiter aufrechterhaltenden Klage des Betriebsrats auf Vorlage einer solchen umfangreichen Namensliste gab der 1. Senat des Bundessarbeitsgerichts statt.
Begründung
 Im Wesentlichen argumentiert der 1. Senat -mit Blick auf die leitenden Angestellten- dabei wie folgt:
- Wahlberechtigt für einen Schwerbehindertenvertretung seien nach § 177 Abs. 2 SGB IX -als schwerbehinderte Menschen– auch leitenden Angestellte,
- Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, 176 SGB IX oblägen dem Betriebsrat Überwachungsaufgaben, ob der Arbeitgeber seiner spezifischen Beschäftigungspflicht gegenüber schwerbehinderten Menschennachkäme,
- Eine entsprechende Aufgabe gäbe es für den Sprecherausschuss bislang nicht,
- 5 Abs. 3 BetrVG schließt die Zuständigkeit für leitende Angestellte nur aus, soweit im BetrVG nichts Anderes abweichend geregelt sei, dies sei hier aber der Fall.
Klarstellend hält der 1. Senat zudem fest:
- Die Erfüllung der dem Betriebsrat von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben sei bekanntlich nicht von einer Einwilligung der Arbeitnehmer abhängig,
- Der Einwand der Arbeitgeberin, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer seien nicht zur Offenbarung ihres Status gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, sei schon deshalb unerheblich, weil der Betriebsrat nur die Mitteilung der Namen derjenigen Arbeitnehmer verlange, deren Schwerbehinderung oder Gleichstellung der Arbeitgeberin bekannt sei.
Mit Blick auf die Schwerbehinderteneigenschaft -als besonders geschütztes Datum gemäß Art 9 DSGVO- wird dieses Ergebnis datenschutzrechtlich wie folgt begründet:
- Mit § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG habe der Gesetzgeber in zulässiger Weise von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO Gebrauch gemacht
- Diese Regelung sähe auch geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Personen vor, weil dies durch den Begriff „erforderlich“ und eine Abwägung im Einzelfall im Wege der praktischen Konkordanz sichergestellt sei. Hier ergäbe sich dies bereits aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Betriebsrat mit den zuvor benannten Überwachungsaufgaben zu betrauen (§ 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG).
- Ein europarechtskonformes Ergebnis?
Dies wirft die Frage auf, ob so den über die GrCH und die DSGVO geschützten Interessen der leitenden Angestellten ausreichend getragen wurde.
Mit Blick auf
- Interessenkonflikte aufgrund der dieser Personengruppe in der betrieblichen Praxis keinesfalls selten zugewiesenen Rolle als betriebsverfassungsrechtlicher Vertreter des Arbeitgebers,
- jüngere Entscheidungen des BAG zum Fragerecht nach der Schwerbehinderung als besonders geschützten Datum,
- dem mittlerweile angepassten Leitbild des SGB IX,
- sowie dem in der DSGVO enthalten übergeordneten Grundsätzen aus Art. 5 Abs. 1 (a) und (c) DSGVO
wirft dies auf den ersten Blick doch Zweifel auf, denen im Folgenden nachgegangen werden soll, bevor eine abschließende Bewertung erfolgt.
II. Der leitende Angestellte mit Schwerbehinderung: eine Randerscheinung in der Praxis?
Die vorliegende Fragestellung ist aus meiner Sicht keinesfalls von untergeordneter praktischer Bedeutung.
Zwar sind verlässliche Statistiken über den Schwerbehindertenanteil leitender Angestellter nur recht eingeschränkt bis kaum verfügbar. Anwälte, die regelmäßig auch mit der Beratung von Mitarbeitern auf der sogenannten „V-oder C-Level“-Ebene befasst sind, kommen mit dieser Fragstellung jedoch durchaus häufiger in Kontakt. Auch wenn der damit jeweils verbundene subjektive Eindruck natürlich nicht repräsentativ ist, scheint der Prozentsatz nicht unter, sondern eher noch über der bundesweiten Durchschnittsquote in der Bevölkerung vom knapp 10% zu liegen.
Nicht selten ist der Hintergrund dafür eine erst kurz zurückliegende Krebserkrankung. Oft ist der maßgebliche Bescheid dann auch befristet. Insoweit handelt es sich um ein Risiko, das perspektivisch letztlich kein leitender Angestellter für sich ausschließen kann.
Der persönliche Umgang des jeweils Betroffenen ist -nach meiner Wahrnehmung- sehr unterschiedlich. Das gilt insbesondere dann, wenn bspw. die dem aktuellen Bescheid zugrundeliegende Ursache zeitlich bereits etwas zurück liegt, sie nicht auf den ersten Blick erkennbar ist und ein Arbeitgeberwechsel -ggf. initiiert durch einen externen Personalberater- ansteht. Nach meiner Wahrnehmung wird diese Information dann oft weder im Bewerbungsverfahren noch im Anschluss an das Unternehmen mitgeteilt.
Je nach eigenem gesellschaftspolitischem Ansatz mag man eine solche Haltung durchaus kritisch bewerten. Man mag sie ggf. -angesichts der damit zwangsläufig ausbleibenden Sichtbarkeit schwerbehinderter Menschen auf dieser Unternehmensebene- auch für nicht schützenswert erachten. Unabhängig davon bleibt aber damit zunächst festzuhalten, dass offensichtlich in nicht unerheblichem Maße bei Betroffenen das individuelle Bedürfnis besteht, autonom darüber zu entscheiden, ob diese Information anderen mitgeteilt wird oder nicht.
III. Der leitende Angestellte mit einer Schwerbehinderung:
Grundrechtsträger ohne ausreichenden Schutz seiner Handlungsautonomie?
Stellt man die apodiktische Folge der Entscheidung für leitende Angestellte zur Überprüfung, ist zunächst ein Blick auf das erweiterte normative Umfeld erforderlich. Dieses ist durchaus komplex und entfaltet vor allem vier konkrete Anknüpfungspunkte:
- Primärrechtlicher Ausgangspunkt aus Sicht des betroffenen leitenden Angestellten
Zunächst binden die Regelungen der DSGVO als übergeordnetes Primärrecht auch den deutschen Gesetzgeber. Prägend für die DSGVO sind insbesondere die in Art 5 niedergelegten Grundsätze der Transparenz und Datenminimierung wie auch die in Art. 9 festgeschriebenen erhöhten Anforderungen an die Verarbeitung von Daten besonderer Kategorien.
Mit Art. 8 haben diese Regelungen der DSGVO zudem einen Anknüpfungspunkt in der nochmals übergeordneten Grundrechtscharta. Diese Grundrechtsposition findet insbesondere bei der Ausfüllung der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe auf unterschiedlichste Art und Weise Berücksichtigung. Häufig auch im Wege der „praktischen Konkordanz“ in Konkurrenz mit anderen Artikeln der GrCH.
Sowohl der DSGVO wie auch ggf. der GrCH ist im Zweifel im Wege einer europarechtskonformen Auslegung auf nationaler Ebene Geltung zu verschaffen.
2. Die Auskunft über die Schwerbehinderung im Lichte der jüngeren BAG-Rechtsprechung und des Teilhabe-Leitbilds des SGB IX
Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Mitarbeiter zu Offenlegung seiner Schwerbehinderung verpflichtet ist bereits vor Inkrafttreten der DSGVO Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des BAG gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt bildeten noch die Richtlinie 95/46/EG und Art 2 Abs. 1 I in Verbindung m Art 1 Abs. 1 GG den übergeordneten Rahmen.
Mit Blick auf zwei jüngere Entscheidungen, die die Mitteilung im laufenden Beschäftigungsverhältnis betrafen, sind mittlerweile insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:
- Die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ist nicht von sich aus naheliegend (BAG vom 30.11.2021 – 9 AZR 143/21 Rz. 29)
- Der Arbeitgeber muss nicht erfragen, ob der Arbeitnehmer schwerbehindert ist. (BAG vom 30.11.2021 – 9 AZR 143/21 Rz. 24)
- Die Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis soll dem Arbeitgeber ein rechtstreues Verhalten ermöglichen, etwa im Zusammenhang mit seinen Pflichten nach dem SGB IX zur behinderungsgerechten Beschäftigung, einer etwaigen Ausgleichszahlung, Sonderkündigungsschutz oder der Gewährung von Zusatzurlaub. (BAG vom 16. 2. 2012 − 6 AZR 553/10)
- Beantwortet der Mitarbeiter die Frage zunächst unzutreffend, kann er sich -unter dem Aspekt der unzulässigen Rechtsausübung – auf die entsprechende Rechtsposition später nicht mehr berufen. (BAG vom 16. 2. 2012 − 6 AZR 553/10)
Selbst wenn im Einzelfall darüber hinaus noch immer streitig diskutiert wird,
- ob die Frage im laufenden Beschäftigungsverhältnis mittlerweile nur noch eingeschränkt mit konkretem Bezug zur Tätigkeit gestellt werden darf und
- ob die Antwort -je nach in Frage stehender Rechtsposition des Schwerbehinderten- nur Obliegenheit oder ggf. auch Rücksichtnahmepflicht ist und -mit Blick auf eine nicht erforderliche Ausgleichszahlung- Schadensersatzansprüche auslösen kann,
dürfte -mit Blick auf die ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention und das SGB IX- Folgendes unstreitig sein:
- Das heutige Leitbild im SGB IX ist nicht eines der „Fürsorge und Versorgung von schwerbehinderten Menschen“,
- vielmehr dienen die dortigen Regelungen ausweislich Art. 3 a UN-BRK, § 1 SGB IX dazu, schwerbehinderten Menschen vor allem eine „selbstbestimmte Teilhabe“ am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wofür dort insbesondere die Herstellung von Chancengleichheit in den Blick genommen wurde,
- womit dann zwangsläufig auch die weitestgehende Handlungsautonomie hinsichtlich der Mitteilung der eigenen Schwerbehinderteneigenschaft korrespondieren sollte,
- weil sie sich zudem in der Rechtsfolge der jüngeren Rechtsprechung widerspiegelt, die eben nicht die Durchsetzung der Mitteilungspflicht (aus Fürsorgegründen) sondern den Verlust von Rechten (als Folge der eigenen autonomen Entscheidung) in den Blick nimmt.
3. Die Rolle des BR als Empfänger von (besonders geschützten) Daten
 Wie eingangs erwähnt lässt sich auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schon seit längerem entnehmen, dass die Zulässigkeit der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten nicht allein im bilateralen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entschieden wird.
Es liegt damit nicht allein in der Hand des Arbeitgebers, ob er bei ihm rechtmäßig erhobene Daten an den Betriebsrat weiterleitet oder nicht, da jede weitere Verarbeitung -in Form einer Weiterleitung- einen Eingriff in die Grundrechtsposition darstellt, die einer konkreten Legitimation bedarf:
Bereits in der erwähnten Entscheidung zur „Spind-Kontrolle“ hatte der 2. Senat hinsichtlich des dortigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters festgehalten:
- „Die – bestrittene – Behauptung der Bekl., ihre Vorgehensweise sei mit zwei Mitgliedern des Betriebsrats abgestimmt gewesen, von denen eines an der Kontrolle teilgenommen habe, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Aus persönlichkeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht ist der Eingriff deshalb nicht weniger intensiv. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Privatsphäre des Arbeitnehmers umso stärker verletzt wird, je mehr Personen ohne sein Einverständnis an dem Eingriff beteiligt sind.“ (BAG vom 20.6.2013 – 2 AZR 546/12 Rz. 35)
Mit Inkrafttreten der DSGVO hat der 1. Senat diesen Ansatz -mit Blick auf die im Streit stehende pauschale Mitteilung der Schwangerschaft von Mitarbeiterinnen- noch einmal konkretisiert:
- „Die seinen Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG begründende Überwachungsaufgabe iSv § 80 I Nr. 1 BetrVG muss genau benannt worden sein. Der generelle Verweis auf den beschäftigungsspezifischen Schutznormkomplex für schwangere Frauen, der seinerseits eine Vielzahl von Pflichten für den Arbeitgeber begründet, ermöglicht keine Prüfung, welches zugunsten der Arbeitnehmerinnen konkret geltende Ge- oder Verbot der Betriebsrat hinsichtlich seiner Durchführung oder Einhaltung zu überwachen beabsichtigt und inwieweit er dafür die Unterrichtung über jede einzelne der Arbeitgeberin angezeigte Schwangerschaft unter Namensnennung der mitteilenden Arbeitnehmerin benötigt.“ (BAG vom 9.4.2019 – 1 ABR 51/17 Rz. 17.)
4. Potentielle Spannungsfelder zwischen leitenden Angestellten und Betriebsrat
5 Abs. 3 BetrVG nimmt leitende Angestellte grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BetrVG aus. Dies ließ sich ursprünglich -im BetrVG 1952 und BetrVG 1972- vor allem mit Blick auf die Interessen des Arbeitgebers begründen. Denn in der Regel wird der Arbeitgeber von ihnen bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat vertreten.
Mit Inkrafttreten des SprAuG Ende der 1980er Jahre dient diese Norm aber gleichzeitig auch zur Zuordnung zu einem spezielleren Vertretungsorgan, dem Sprecherausschuss. Der Gesetzgeber hielt offensichtlich ein solches zusätzliches Organ für diese Mitarbeitergruppe für erforderlich, damit leitende Angestellter ebenfalls ihr Interesse an der Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen durchsetzen können.
Unabhängig davon gibt es trotz des in §2 BetrVG verbrieften Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit es in der Praxis immer wieder auch sehr konfrontative Situationen zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberseite, die üblicherweise federführend von leitenden Angestellten vertreten wird. Sind diese über Jahre gewachsen, bleiben trotz aller Professionalität zum Teil auch persönliche Apathien zwischen den beteiligten Akteuren nicht aus. Jeder im kollektiven Arbeitsrecht tätige Anwalt wird auch solche Konstellationen kennen. In einem solchen Fall mag es dann für leitende Angestellte -nach Abwägung über Vor- und Nachteile- in ihrer individuellen Situation durchaus alternativlos erscheinen, eine Schwerbehinderteneigenschaft bewusst vertraulich zunächst nur dem Arbeitgeber mitzuteilen. Insbesondere deshalb, weil man sich in einer solchen Konstellation allein vom Sprecherausschuss die ggf. erforderliche Unterstützung erwartet.
5. Zur Bewertung der Entscheidung
a. die Begründung
Blickt man auf diese 4 Spannungsfelder, die inhaltlich im Rahmen der notwendigen Abwägungsprozesse Anklang gefunden haben sollten, überrascht der insoweit allein maßgebliche Passus der Entscheidung.
Denn mit Blick auf die u.a. gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO unabdingbar in den Blick zunehmende „Grundrechtsposition“ der leitenden Angestellten mit einer Schwerbehinderung finden sich letztlich nur drei Sätze:
Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats besteht unabhängig davon, ob die betroffenen Arbeitnehmer ihr Einverständnis erteilt haben. Der Gesetzeswortlaut enthält keine solche Einschränkung.
[…]
Der Einwand der Arbeitgeberin, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer seien nicht zur Offenbarung ihres Status gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, ist schon deshalb unerheblich, weil der Betriebsrat nur die Mitteilung der Namen derjenigen Arbeitnehmer verlangt, deren Schwerbehinderung oder Gleichstellung der Arbeitgeberin bekannt ist.
b. die mögliche Sicht einzelner leitender Angestellten
Die auf der Hand liegenden inhaltlichen Einwände der hier durch unmittelbar betroffenen leitenden Angestellten, die wohl nicht Beteiligte am vorliegenden Beschlussverfahren gewesen sein dürften, hätten wie folgt gelautet:
- Für sie sei zum Zeitpunkt der Mitteilung der Schwerbehinderung überhaupt nicht erkennbar gewesen, dass der Arbeitgeber diese Information auch an den Betriebsrat weitergibt.
Ein Aspekt, für den es mit Blick auf Art. 5 Abs.1 (a) DSGVO durchaus auch einen rechtlichen Anknüpfungspunkt gibt.
- Hätten sie dies hingegen gewusst, so hätten sie die Information lediglich mit der Maßgabe offengelegt, dass diese Information nicht an den Betriebsrat weitergegeben wird. Denn es müsse -mit Blick das Leitbild des SGB IX- letztlich in ihrer Hand liegen, in welchem Umfang diese Information geteilt wird. Zumal es insbesondere für sie als leitende Angestellte gegenüber dem Betriebsrat ein Spannungsfeld geben kann, das auch dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben ist und daher sichtbar in den Abwägungsprozess einzubeziehen gewesen wäre.
Ein Aspekt, für den es u.a. mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 (c), § 1 SGB IX, § 2 SprAUG supranationale und nationale Anknüpfungspunkte für eine entsprechende Konkretisierung der Grundrechtsposition aus Art 8 GrCh gibt und die sich zudem -unabhängig von dem Sonderstatus „Leitender Angestellter“- so auch in der zuvor skizzierten Rechtsprechung zum Fragerecht zur Schwerbehinderung und zur Datenverarbeitung durch den Betriebsrat  widerspiegeln.
c. die Bewertung
Solange eine Abwägung mit diesen Aspekten schlicht fehlt und damit auch nicht erkennbar ist, welche Grundrechtspositionen dem ggf. gegenübergestellt werden könnten bzw. sind, ist auch nicht erkennbar, dass die Vorgaben Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO erfüllt sind.
Mit Blick auf die soeben unter a. zitierte kurze Begründung kann zudem auch dahinstehen, welche Anforderungen -im Wege der Gewaltenteilung und der Wesentlichkeitstheorie- nach Maßgabe der DSGVO bereits an den Gesetzgeber zu stellen sind und wo dieser über unbestimmte Rechtsbegriffe und generalklauselartige Formulierungen den Gerichten Entscheidungsspielräume belassen kann.
aa.
Denn wenn sich in der Gesetzesbegründung zur Neufassung des SGB IX keine ausdrücklichen inhaltlichen Anknüpfungspunkte über den Umgang des Rechts auf den Schutz besonderer personenbezogener Daten leitender Angestellte gegenüber dem Betriebsrat in Anbetracht der zuvor skizzierten Spannungsfelder und rechtlichen Leitlinien gibt, kann man schlicht nicht davon ausgehen, dass eine solche Abwägung dort überhaupt stattgefunden hat. Insbesondere, wenn sich keine ausdrückliche Entscheidung gegen eine Beteiligung des Sprecherausschusses findet und ein entsprechender Abwägungsprozess findet.
Sie ist aber -wie aufgezeigt- nach Art 9 Abs. 2 lit. b DSGVO ausdrücklich geboten.
bb.
Selbst das mag zulässig sein, wenn dieser Abwägungsprozess dann zumindest im Rahmen der Gerichtsentscheidung erfolgt.
Sei es in Anwendung des § 26 Abs. 3 BDSG, sei es in europarechtskonformer Auslegung des § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG unter Inbezugnahme von Art 8 GrCh und Art. 9 DSGVO.
Eine solche Abwägung findet sich aber -wie aufgezeigt- auch in der Entscheidung nicht. Weder unter dem Begriff „erforderlich“ noch unter dem Aspekt „geeignete Garantien für die Grundrechte und Interessen der betroffenen Person“.
cc.
Die Entscheidung überrascht nicht nur deshalb, weil das BAG in seinen Entscheidungen ansonsten durchaus umfangreiche europarechtliche Abwägungen unter Bezugnahme auf die GrCh, zum Teil auch darauf beruhende Korrekturen gesetzlicher Vorgaben vornimmt.
Es ist zudem nicht auf Anhieb erkennbar, warum nach der bereits zitierten bisherigen Rechtsprechung bei dem ebenso sensiblen Datum der Schwangerschaft zwar trotz §§ 80 (1) Nr. 2a („Dursetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Beschäftigung“) ein substantiiertes Vorbringen der konkreten Überwachungsaufgabe durch den Betriebsrat für die konkrete Namensnennung erforderlich ist. Wo hingegen der keinesfalls aussagekräftigere § 80 Abs. Nr. 4 BetrVG („Eingliederung schwerbehinderter Menschen“) eine solche Konkretisierung für die Namensnennung schwerbehinderter leitender Angestellter entbehrlich zu machen scheint. Insbesondere, wenn sich vergleichbare, die Autonomie schwerbehinderter Menschen in den Vordergrund stellende Programsätze wie § 1 SGB IX, Art 3 a UN-BRK im Mutterschutzrecht nicht finden.
IV. Fazit und Ausblick
1.
Die Entscheidung des 1. Senats ist in ihrer Aussage eindeutig. Wird dem Arbeitgeber eine Schwerbehinderung von einem leitenden Angestellten mitgeteilt, ist diese Information bereits bei abstrakter Anfrage des Betriebsrats unter Namensnennung des jeweiligen leitenden Angestellten an das Gremium mitzuteilen. Einen konkreten Grund -insbesondere hinsichtlich einer konkreten Maßnahme für leitende Angestellten- braucht der Betriebsrat dafür nicht geltend machen.
Mit Blick auf die insbesondere in Art 3 a UN-BRK und § 1 SGB IX besonders hervorgehobene Selbstbestimmung schwerbehinderter Menschen erscheint bereits dieses Ergebnis fraglich. Das dortige Autonomieverständnis sollte vielmehr auch das Selbstbestimmungsrecht beinhalten, in welchem Umfang und an wen eine Schwerbehinderung mitgeteilt wird.
Eine auch an diesem Interesse vorgenommene Abwägung ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Eine solche wäre aber wohl nach Art 9 Abs. 2 lit. b DSGVO geboten. Zudem wären im Rahmen dieser Abwägung -angesichts der Sonderstellung leitender Angestellte innerhalb der Betriebsverfassung und der daher üblicherweise beim Sprecherausschuss angesiedelten Repräsentanz- weitere Aspekte mit Blick auf Art 8 GrCh zu berücksichtigen gewesen.
2.
Nicht ausdrücklich entschieden hat das Bundesarbeitsgericht den Fall, in dem ein(e) oder mehrere leitende Angestellte -ggf. auch auf vorsorgliche Nachfrage des Arbeitgebers – ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie lediglich den Arbeitgeber über ihre Schwerbehinderung in Kenntnis setzen, einer Weitegabe an den Betriebsrat aber ausdrücklich widersprechen. Die Tendenz der Entscheidung des 1. Senats deutet jedoch an, auch dies für unerheblich zu erachten.
Soweit ein Arbeitgeber in diesem Fall auf Anfrage des Betriebsrats darauf hinweisen würde und im Rahmen eines Beschlussverfahren auf Offenlegung des Namens verklagt würde, ist nicht ausgeschlossen, dass dann zur Entscheidung berufene Arbeitsgericht gleichwohl für diesen Fall unter Bezug auf übergeordnete europäische Normen eine insoweit abweichende Entscheidung treffen könnte. Ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH wäre dafür nach überwiegender Auffassung rechtlich nicht zwingend, sinnvollerweise aber geboten.
3.
Dafür mag auch Folgendes sprechen:
Grundrechte haben ihren Ursprung als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staats. Als Freiheitsrechte beinhalten sie zudem immer auch die Entscheidung, ein Recht nicht oder in einem bestimmten Umfang auszuüben. Dies gilt gerade -im Zeitalter lernender Systeme- auch für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es ist wichtig, diese Grundsätze auch bei einer zunehmend horizontalen Geltung von Grundrechten nicht aus dem Blick zu verlieren. Dies liegt vor allem im Interesse des Grundrechtsträgers.
Wenn nämlich dieser -mangels grundsätzlich abgesprochener Freiwilligkeit- im Beschäftigungsverhältnis faktisch nicht mehr in der Lage ist, sein Einverständnis abzugeben, fällt eine wichtige Komponente seiner Grundrechtsausübung weg.
Ob sie ggf. zumindest über den Betriebsrat im Ansatz kompensiert werden kann, ist angesichts der Begründung der aktuellen Vorlage des 8. Senats offen.
Gerade dann wäre es wichtig, zumindest ähnliche Transparenz- und Abwägungs-Maßstäbe an den Gesetzgeber anzulegen, wenn dieser -wie hier- die Datenautonomie der Arbeitsvertragsparteien über ein besonders geschütztes Merkmal durch ein Zugriffsrecht eines Mitbestimmungsorgans einschränkt.
Denn eine solche Handlung betrifft aus Sicht des leitenden Angestellten als Grundrechtsträger nicht nur einen freiheitsrechtlichen, sondern dann sogar einen abwehrrechtlichen Aspekt. Auch daher wäre eine Klarstellung durch den EuGH wünschenswert. Anderenfalls könnte sonst schnell der sicher nicht zutreffende Eindruck entstehen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.