Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10.10.2023, 2 TaBVGa 2/23, zwar grundsätzlich erkannt, dass die Kosten für Simultandolmetscher und deren technische Ausrüstung für die Übersetzung während einer Betriebsversammlung in erforderlichem Umfang (§ 40 BetrVG) vom Arbeitgeber zu erstatten sein können. Dabei habe der Betriebsrat die Erforderlichkeit der Übersetzung sowie die Verhältnismäßigkeit der Kosten vor jeder Betriebsversammlung neu zu erwägen und bei Streit zu begründen. Im konkreten Fall hat das LAG jedoch den Antrag des Betriebsrats, der Arbeitgeber habe die Kosten von zehn Simultandolmetscher für die in dem Betrieb fünf meistgesprochenen Sprachen (Englisch, Polnisch, Arabisch, Persisch und Tigrinisch) zu tragen, zurückgewiesen.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber betreibt sechs Logistikzentren in Polen und Deutschland. Am Standort Leipzig arbeiten 1.219 Beschäftigte, davon 582 mit deutscher Staatsangehörigkeit und 637 ausländische Beschäftigte aus 62 Nationalitäten. Die größten Sprachgruppen im Betrieb sind: Deutsch (47 %), Arabisch (23 %), Persisch (5 %), Polnisch (4 %), Tigrinisch (3 %) und vermutlich Englisch.
Bis 2022 hatten die Betriebsversammlungen ohne Übersetzung stattgefunden. Für die Betriebsversammlung im März 2023 forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber zur Übernahme der Kosten von ca. 31.000 € für Simultanübersetzungen und technische Ausrüstung auf.
Entscheidung des Sächsischen LAG
Zunächst stellt das LAG eher technisch fest, dass der Betriebsrat trotz des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums, welche Sachmittel er für seine Arbeit für erforderlich hält, die Tatsachen vortragen und glaubhaft machen müsse, aus denen sich die Erforderlichkeit der Simultanübersetzung in die fünf beantragten Sprachen ergebe. Aufgrund der 62 im Betrieb vertretenen Nationalitäten hätte der Betriebsrat z.B. durch eine Fragebogenaktion aufklären können, für welche Sprachen die Beschäftigten eine Übersetzung für erforderlich hielten und welche Beschäftigten über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten. Der Vortrag des Betriebsrats, die bis 2022 ohne Übersetzung durchgeführten Betriebsversammlung hätten bei den ausländischen Beschäftigten zu Ungewissheit über Inhalte, Verzögerungen und Unruhe geführt, wies das LAG als zu pauschal zurück.
Die folgenden Ausführungen des LAG zu § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und der Aufgabe des Betriebsrats, die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern, dürften hingegen nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftspolitisch zu Widerspruch führen. Das LAG wörtlich:
„Integration bedeutet nicht, dass sich das größere Ganze dem einzelnen Arbeitnehmer anpasst. Das Bereitstellen von Dolmetschern fördert die Integration im Sinne der Wortbedeutung nicht, weil sich – kontraproduktiv – die Umgebung anpasst. Damit wird der Anreiz, die Sprache der neuen Umgebung möglichst schnell zu lernen, zumindest verringert. Integration fordert vielmehr, dass es den nicht Deutsch sprechenden einzelnen Arbeitnehmern ermöglicht wird, ausreichend Deutsch zu lernen, um sich in die betriebliche Umgebung einzugliedern.“
Zudem benachteilige laut LAG die Auswahl der zu übersetzenden Sprachen (fünf von mehr als 50 Sprachen) bei der Betriebsversammlung die Beschäftigten, deren Sprache nicht übersetzt werde. § 75 Abs. 1 BetrVG gebiete aber die Gleichbehandlung aller im Betrieb tätigen Personen. Daher sei im konkreten Fall die Betriebsversammlung insgesamt nur auf Deutsch zu halten.
Es wird spannend sein, zu beobachten, ob die Arbeitsgerichte in Zeiten, in denen die Betriebe immer stärker auf zugewanderte ausländische Beschäftigte angewiesen sind, der Auffassung des Sächsischen LAG folgen oder aber diese ablehnen werden.
Zum Autor: Rechtsanwalt Dr. Peter Meyer ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Weimann & Meyer, Berlin und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.