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Vertragsstrafe und Kündigung vor Vertragsbeginn

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Mehr und mehr hat sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Unternehmen finden  oft erst nach langer Suche geeignete Arbeitskräfte. Dann ist es wichtig, diese wirksam an sich zu binden und nach Möglichkeit zu verhindern, dass diese es sich nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages anders überlegen. Ein Phänomen beschäftigt das Schrifttum, das „Ghosting“ von Arbeitnehmern.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitnehmer berechtigt, das Arbeitsverhältnis vor dessen Beginn ordentlich zu kündigen, wenn die Parteien keine anderslautende Vereinbarung treffen (BAG vom 22.8.1964 – 1 AZR 64/64; 9.5.1985 – 2 AZR 372/84). Das Recht zur ordentlichen Kündigung vor Vertragsbeginn sollte im Arbeitsvertrag ausdrücklich auseschlossen werden, auch wenn es nach Ansicht des BAG ausreichen soll, dass sich der Ausschluss der ordentlichen Kündigung zweifelsfrei aus den Umständen ergibt (BAG vom 9.5.1985 – 2 AZR 372/84).

Ist diese Eindeutigkeit zu bejahen, wenn der Arbeitsvertrag zwar die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer den Dienst nicht antritt oder das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der vereinbarten Frist vorzeitig kündigt, jedoch keine Vereinbarung über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung enthält? Das BAG hat dies bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass aus der Vereinbarung der Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts des Arbeitsverhältnisses zugleich der Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit folge (BAG vom 14.12.1988 – 5 AZR 10/88; 13.6.1990 – 5 AZR 304/89).

Kann diese Rechtsprechung noch aufrechterhalten bleiben? Wie verhält sie sich zur AGB – Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB?

Fraglich ist, wie ein verständiger durchschnittlicher Vertragspartner des Arbeitgebers eine Vertragsstrafenregelung versteht/aslegt. Müsste die Vereinbarung einer (enseitig wirkenden) Vertragsstrafe ohne ausdrücklichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung dahingehend ausgelegtwerden, dass durch sie konkludent lediglich zulasten des Arbeitnehmers die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vor Antritt des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen wird, dürfte darin ein einseitiges Kündigungserschwernis und ein Verstoß gegen § 622 VI BGB liegen. Dem Arbeitnehmer würde durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe die Möglichkeit genommen, vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zu kündigen, während dem Arbeitgeber diese Möglichkeit nicht versagt wäre (vgl. BAG v. 6.9.1989 – 5 AZR 586/88 m.w.N.). Zudem würde der Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden, was die Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung zur Folge hätte.

Könnte die Vereinbarung einer (enseitig wirkenden) Vertragsstrafe als beiderseits wirkender Ausschluss des Kündigungsrechts vor Vertragsbeginn ausgelegt werden, wäre die Klausel wohl auch als unwirksam anzusehen. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich, also nicht hinreichend transparent ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Treu und Glauben verpflichten den Verwender von AGB, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH vom 25.10.2017 – XII ZR 1/17). Dazu gehört es auch, dass die AGB Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen lassen, wie es nach den Umständen möglich und zumutbar ist (BGH vom 15.4.2010 – Xa ZR 89/09). Wenn aber mit dem BAG grundsätzlich davon auszugehen ist, dass beide Parteien den Arbeitsvertrag ohne abweichende Abrede auch vor Dienstantritt ordentlich kündigen können (BAG vom 22.8.1964 – 1 AZR 64/64; 9.5.1985 – 2 AZR 372/84), dann führt die Auslegung des BAG dahingehend, dass lediglich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts des Arbeitsverhältnisses ausreichen soll, um die ordentliche Kündigung beiderseits auszuschließen, dazu, dass dem Arbeitnehmer der Verlust seines Kündigungsrechts zwar möglicherweise bewusst sein kann, er wird aber nicht nachvollziehen können, dass auch der Arbeitgeber vor Dienstantritt nicht kündigen darf, denn dies kommt in einer einseitig wirkenden Vertragsstrafenregelung nicht einma andeutungsweise zum Ausdruck.

Folglich sollte, um die nötige Transparenz für den Arbeitnehmer zu gewährleisten, die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen werden.

RA FAArbR Axel Groeger und WissMit Johanna Ridder
www.redeker.de

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RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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