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Das versteckte digitale Zugangsrecht im Referentenentwurf eines Tariftreuegesetzes

avatar  Wolfgang Kleinebrink

Manche Gesetzesvorhaben verbergen sich. Dies ist nun beim digitalen Zugangsrecht zugunsten von Gewerkschaften geschehen.

Der nationaler Aktionsplan des DGB zur Stärkung der Tarifbindung

In einem 14 Punkte umfassenden nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung fordert der DGB u.a. ein Bundestariftreuegesetz, Regelungen zur Verhinderung von „Tarifflucht“ bei Betriebsaufspaltungen sowie ein digitales Zutrittsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe.

Das digitale Zugangsrecht für Gewerkschaften im Referentenentwurf zum Tariftreuegesetz

Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie durch Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes und weitere Maßnahmen“ (PDF-Datei – 55 Seiten) erweckt den Eindruck, als solle nun tatsächlich nur das Tariftreuegesetz in Angriff genommen werden. Versteckt finden sich im Referentenentwurf aber auch Regelungen zur Weitergeltung von Tarifverträgen bei konzerninternen Umstrukturierungen sowie zum digitalen Zugangsrecht für Gewerkschaften.

Angestrebte Änderungen im BetrVG

Art. 6 des Entwurfs, der mit „Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ überschrieben ist, enthält eine beabsichtigte Änderung des § 2 Abs. 2 BetrVG. Demnach sollen nach den Wörtern „Zugang zum Betrieb“ die Wörter „einschließlich der im Betrieb zur Kommunikation verwendeten Informations- und Telekommunikationstechnologien“ eingefügt werden. Angefügt werden soll:

„Auf rechtzeitiges Verlangen hat der Arbeitgeber die erforderlichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, insbesondere die betrieblichen E-Mail-Adressen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben.“

Angestrebte Änderungen im Tarifvertragsgesetz

In das Tarifvertragsgesetz soll ein neuer § 8a, der die Ãœberschrift „Zugangsrecht von Arbeitnehmervereinigungen zum Betrieb“ trägt, eingefügt werden:

„(1) Zur Mitgliederwerbung und Information von Arbeitnehmern ist den Beauftragten einer nach ihrer Satzung für den Betrieb zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern in angemessenem Umfang Zugang zum Betrieb einschließlich der im Betrieb zur Kommunikation verwendeten Informations- und Telekommunikationstechnologien zu gewähren. Dies gilt nicht, soweit unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. Auf rechtzeitiges Verlangen hat der Arbeitgeber die erforderlichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, insbesondere die betrieblichen E-Mail-Adressen der Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben.

(2) Ist ein Recht auf Zugang zum Betrieb oder zu den im Betrieb zur Kommunikation verwendeten Informations- und Telekommunikationstechnologien verbindlich zwischen einem Arbeitgeber und einer Vereinigung von Arbeitnehmern geregelt, geht diese Regelung insoweit dem Abs. 1 vor.“

Begründung des Entwurfs

Angeführt wird in der Begründung des Referentenentwurfs, dass der Zugang den Zwecken der Mitgliederwerbung und Information dienen und dabei neben dem analogen Zugang zum Betrieb auch den digitalen Zugang zu den im Betrieb zur Kommunikation verwendeten Informations- und Telekommunikationstechnologien umfassen muss. Analoger und digitaler Zugang können dabei grundsätzlich nebeneinander und auch gleichzeitig geltend gemacht werden. Arbeitnehmervereinigungen müssten in der Lage sein, die jeweils für sie zweckmäßigste Zugangsform der im Betrieb genutzte Kommunikationswege nutzen zu können.

Ausdrücklich wird in der Begründung betont, dass der digitale Zugang sämtliche Informations- und Telekommunikationstechnologien umfassen soll, die im Betrieb zur Kommunikation verwendet werden. Neben den bereits heute bekannten Technologien steht die Vorschrift damit auch neuen Entwicklungen offen gegenüber. Arbeitgeber seien jedoch nicht verpflichtet, Informations- und Telekommunikationstechnologien zur Verfügung zu stellen, die im Betrieb nicht verwendet werden. Führe der Arbeitgeber eine neue Informations- und Kommunikationstechnologie ein, erstrecke sich das Zugangsrecht aber auch auf diese.

Es werde klargestellt, dass der Arbeitgeber auf rechtzeitiges Verlangen einer Arbeitnehmervereinigung die erforderlichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen vorzunehmen habe. Arbeitgeber könnten somit neben der bloßen Duldung des Zutritts auch zu einem aktiven Tun verpflichtet sein. Dabei müsse das Verlangen gegenüber dem Arbeitgeber so rechtzeitig erfolgen, dass dieser die nötigen Vorbereitungen treffen und den erforderlichen und zumutbaren Umfang der Mitwirkungshandlung prüfen könne. Die Mitwirkungshandlung hänge vom konkreten Einzelfall ab und sei grundsätzlich nicht auf ein einmaliges Tätigwerden beschränkt. Sie könne insbesondere in einer Herausgabe der betrieblichen E-Mail-Adressen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen.

Bewertung

Bereits 2022 habe ich mich in einem Beitrag für die Zeitschrift „DER BETRIEB„, der den Titel „Das Recht der Gewerkschaft auf Werbung im Betrieb“ trägt (DB 2022,1002), gegen ein derartiges digitales Zugangsrecht ausgesprochen. Kurz zusammengefasst aus diesen Gründen:

Die Werbung von Nichtmitgliedern durch Gewerkschaften mithilfe von E-Mails an die betrieblichen E-Mail-Adressen ist nicht rechtmäßig. Es fehlt an einer datenschutzrechtlichen Erlaubnisnorm. Eine Herausgabe der E-Mail-Adressen von Beschäftigten an die Gewerkschaft verstößt ebenfalls gegen den Datenschutz. Keine Lösung stellt auch die Herausgabe eines E-Mail Verteilers dar. Hierbei handelt es sich ebenfalls um personenbezogene Daten, da die im Hintergrund befindlichen E-Mail-Adressen der einzelnen Arbeitnehmer ermittelt werden können. Arbeitgeber sind auch nicht verpflichtet, die Einwilligungen ihrer Arbeitnehmer zum Datenverkehr mit der Gewerkschaft einzuholen.

Ebenso bedenklich ist die nach der angedachten gesetzlichen Regelung mögliche digitale Werbung über das Intranet des Arbeitgebers. Würde man einer Gewerkschaft das Recht einräumen, im Intranet des Arbeitgebers eine eigene Seite zu Werbezwecken zu nutzen, beeinträchtigte dies die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers. Die geringste Beeinträchtigung würde eine Verlinkung im Intranet des Arbeitgebers auf eine externe Seite der Gewerkschaft bedeuten, die vom Arbeitgeber eingerichtet wird.

Nicht gesehen werden auch die technischen Folgen einer entsprechenden Gesetzesänderung. Unternehmen berichten, dass E-Mails von Gewerkschaften an die Arbeitnehmer aufgrund der digitalen Schutzeinrichtungen in den Spamfiltern der Unternehmen landen und folglich ihren Empfänger nicht erreichen würden. Demnach wäre es notwendig, den Schutz vor Cyberangriffen zu verringern, um das digitale Zugriffsrecht zu ermöglichen. Dies wäre seinerseits ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentums- und Berufsfreiheit eines Arbeitgebers.

Zu erwartende Rechtsprechung des BAG

Das BAG wird sich in einer Sitzung am 25. Januar 2025 (1 AZR 33/24) mit einem digitalen Zugangsrecht von Gewerkschaften beschäftigen. Zugrunde liegt eine Entscheidung des LAG Nürnberg (LAG Nürnberg, Urt. v. 26.9. 2023 – 7 Sa 344/22). Das Gericht betont in dieser Entscheidung, dass Art. 9 Abs. 3 GG einer Gewerkschaft keinen Anspruch auf Herausgabe der oder Zugang zu den dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter, die in einem bestimmten Betrieb arbeiten, gewährt, auch wenn diese nach den bestehenden Betriebsvereinbarungen bis zu 40 % ihrer Arbeitszeit mobil oder im Homeoffice arbeiten können. Eine Gewerkschaft hat demnach auch keinen Anspruch auf Zugang zu einem firmeninternen sozialen Netzwerk, der zwingend mit einem Zugriff auf die dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter verbunden ist.

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