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Erörterungspflicht bei Wartezeitkündigung nach § 45 Abs. 1 MVG EKD

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Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination reicht es für eine ordnungsgemäße Information der Personalvertretung oder Anhörung des Betriebsrats über eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Wartezeitkündigung aus, dass der Arbeitgeber nur seine subjektiven Wertungen, die ihn zur Kündigung des Arbeitnehmers veranlassen, mitteilt, wenn er keine auf Tatsachen gestützten und durch Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe benennen kann. Dafür reichen auch pauschale, schlagwortartige Begründungen. Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen nicht verpflichtet, sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen (BAG v. 22.4.2010 – 6 AZR 828/08).

Nach § 45 Abs. 1 S. 1 MVG EKD ist eine im Bereich evangelischer Rechtsträger der Mitberatung unterliegende Maßnahme der Mitarbeitervertretung rechtzeitig vor der Durchführung bekannt zu geben und auf Verlangen mit ihr zu erörtern. Eine der Mitberatung unterliegende Maßnahme ist gem. § 45 Abs. 2 S. 1 MVG EKD unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht nach Abs. 1 beteiligt worden ist. Die ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit unterliegt nach § 46 Buchst. c) MVG EKD der Mitberatung.

Auch wenn sich der Begriff der Erörterung nach § 45 Abs. 1 S. 1 MVG EKD von dem der Anhörung nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG unterscheidet, führt dies nicht dazu, dass bei einer beabsichtigten Probezeitkündigung durch den Arbeitgeber, die auf ein subjektives Werturteil gestützt werden soll, entsprechende konkrete Tatsachen durch den Arbeitgeber im Rahmen der Erörterung mit der Mitarbeitervertretung bzw. bei deren Information mitzuteilen sind. Nach Ansicht des ArbG Stuttgart sei zwar bei einer Erörterung i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 1 MVG EKD die beabsichtigte Maßnahme ernsthaft mit der MAV mit dem Willen der Einigung zu besprechen. Jedoch gebe es für Art und Umfang der Erörterung keine Mindestanforderungen (ArbG Stuttgart v. 18.12.2024 – 30 Ca 3332/24).

Der Ansicht des ArbG Stuttgart, dass § 45 Abs. 1 S. 1 MVG EKD für Art und Umfang der Erörterung mit der MAV keine Mindestanforderungen vorgibt, ist zuzustimmen. Ãœberschießend und von der Regelung nicht gedeckt ist jedoch meines Erachtens die Ansicht, dass die Erörterung „mit dem Willen der Einigung“ zu erfolgen habe. Damit nähert sich die Anhörung einem Benehmenserfordernis an. Die Herstellung des Benehmens erschöpft sich, wie die Verpflichtung zur Beratung, nicht in einer bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung setzt das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen dabei nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich von Differenzen hinzuwirken. Bei dennoch verbleibenden Meinungsunterschieden ist jedoch der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend (BAG v. 13.3.2003 – 6 AZR 557/01). Die Beratung dürfte, wenn sie vom Benehmenserfordernis unterscheidbar sein soll, hinter diesen Anforderungen zurückbleiben und nicht erfordern, dass sie „mit dem Willen der Einigung“ erfolgt. Es genügt der Wille, Einwände und Bedenken der MAV nicht nur nicht zu übergehen, sondern sich mit ihnen argumentativ auseinanderzusetzen, also die eigene Ansicht im Lichte der Einwände und Bedenken zu reflektieren.

RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
www.redeker.de

RA FAArbR Axel Groeger ist Partner bei Redeker Sellner Dahs, Bonn. Er gehört zum festen Autorenteam des Arbeits-Rechtsberaters und ist Herausgeber des Handbuchs Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst.

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