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BAG: Kein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften zu Werbezwecken zum Betrieb

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Das BAG hat eine wichtige Entscheidung getroffen, die Arbeitgebern Sicherheit im Umgang mit von Gewerkschaften gewünschten digitalen Zugangsrechten gibt (BAG v. 28.1.2025 – 1 AZR 33/24).

Der Sachverhalt:

Der beklagte Arbeitgeber, ein bekannter deutscher Sportartikelhersteller mit mehr als 5.000 Beschäftigten, räumt seinen Mitarbeitern durch entsprechende Betriebsvereinbarungen in großem Umfang die Möglichkeit ein, mobil zu arbeiten. Ein Großteil der betriebsinternen Kommunikation erfolgt auf elektronischem Wege. Zu diesem Zweck sind zahlreiche Mitarbeiter mit Endgeräten und – nur vom Arbeitgeber generierbaren – E-Mail-Adressen ausgestattet, die sich u.a. aus den Vor- und Nachnamen der Mitarbeiter zusammensetzen. Diese Mitarbeiter haben auch Zugang zum Intranet des Arbeitgebers. Darüber hinaus verwendet der Arbeitgeber ein spezielles Programm, mit dem die Mitarbeiter untereinander in Kontakt treten können. Jeder Mitarbeiter hat zu diesem Zweck Zugriff auf u.a. Name, Vorname und berufliche E-Mail-Adresse der anderen Mitarbeiter.

Die klagende Gewerkschaft IGBCE verlangte die Herausgabe sämtlicher aktueller und zukünftiger dienstlicher E-Mail-Adressen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, zumindest aber die Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse, der alle Arbeitnehmer des Betriebs zugeordnet werden, und rein vorsorglich den Zugang und die Berechtigung zu der betriebsinternen E-Mail-Adressliste „alle Arbeitnehmer“. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber verurteilt werden, ihr als Gewerkschaft den Zugang und die Nutzung des verwendeten Programms – unter Verwendung eines bestimmten Schlüsselworts – zu ermöglichen, hilfsweise durch Einrichtung eines in seinem Umfang beschränkten Gastzugangs oder zumindest durch Einbindung als Externe in eine näher zu bezeichnende Community. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber auf die Startseite seines Intranets einen Link auf die Internetseite der Gewerkschaft setzen.

Die Entscheidung:

Die Gewerkschaft ist in vollem Umfang unterlegen. Das Urteil ist zu begrüßen. Das BAG hat damit die Rechte von Arbeitgebern und nicht organisierten Arbeitnehmern gestärkt. Schon bisher hat das BAG einer tarifzuständigen Gewerkschaft aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsbetätigungsfreiheit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und ohne Aufforderung durch die Arbeitnehmer E-Mails zu Werbezwecken an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu versenden. Allerdings hat das Gericht diese allgemeine Aussage aus datenschutzrechtlicher Sicht eingeschränkt. Lediglich eine Versendung an die Gewerkschaftsmitglieder innerhalb der Belegschaft hat das Gericht nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG a.F. für rechtlich zulässig erachtet (BAG, Urt. v. 20.1.2009 – 1 AZR 515/08, ArbRB 2009, 234 [Groeger]). Auch insoweit ist allerdings fraglich, ob dies unter Geltung der DSGVO mit ihren strengen Anforderungen an die Einwilligung in die Datenverarbeitung noch aufrechterhalten werden kann.

Bei nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern und bei Arbeitgebern, die nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer beschäftigen, überwiegen jedenfalls deren Datenschutzrechte (so bereits Kleinebrink, DB 2022, 1002 ff.). E-Mail-Adressen sind personenbezogene Daten. Dies wird im vorliegenden Fall besonders deutlich, da sich die E-Mail-Adresse der Arbeitnehmer – wie so oft – aus dem Vor- und Nachnamen des betreffenden Arbeitnehmers zusammensetzt. Arbeitgeber können daher nicht verpflichtet werden, entsprechende E-Mail-Adressen herauszugeben. Dies gilt auch für entsprechende E-Mail-Verteiler. Auch war die von der IGBCE gewünschte Herausgabe von E-Mail-Adressen nicht erforderlich. Arbeitnehmer, die sich für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft interessieren, können entsprechende Informationen am Schwarzen Brett erhalten. Auf diese Weise können sie frei entscheiden, ob sie entsprechende Werbeartikel lesen wollen oder nicht. Bei unaufgeforderten Werbeschreiben der Gewerkschaft wäre eine solche Unterscheidung nicht möglich, da der Inhalt der Post bei Erhalt regelmäßig nicht erkennbar ist (Kleinebrink, DB 2022, 1002, 1005).

Ein Arbeitgeber kann auch nicht rechtlich verpflichtet werden, sich die notwendigen Einwilligungen von Arbeitnehmern zu beschaffen, damit die Gewerkschaft deren E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nutzen kann. Hiergegen spricht bereits, dass ein Arbeitgeber lediglich verpflichtet ist, Werbung durch Gewerkschaften zu dulden und nicht verpflichtet ist, diese aktiv zu ermöglichen. Eine Gewerkschaft darf daher auch das Postverteilersystem des Arbeitgebers nicht eigenmächtig nutzen (BAG, Urt. v. 23.9.1986 – 1 AZR 597/85, MDR 1987, 434).

Das BAG betont in der Pressemitteilung zu seiner heutigen Entscheidung zutreffend, dass die Gerichte mangels gesetzgeberischer Tätigkeit bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigung von Gewerkschaften auch die mit einem solchen Begehren konkurrierenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie die ebenfalls betroffenen Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 GRCh (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) zu berücksichtigen haben. Sie haben alle betroffenen Positionen im Wege der praktischen Konkordanz so zum Ausgleich zu bringen, dass sie trotz ihrer Gegensätzlichkeit für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

Die Gewerkschaften werden auch nicht durch die Verweigerung der begehrten Rechte in ihrer Werbetätigkeit behindert. Es bleibt immer noch die Möglichkeit, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihren betrieblichen E-Mail-Adressen zu fragen und so ihre Einwilligung in die Übermittlung gewerkschaftlicher Werbung einzuholen. Auf diese Weise wird – so das BAG zu Recht – verhindert, dass Arbeitnehmer gegen ihren Willen Gewerkschaftswerbung lesen müssen.

Mangels gesetzlicher Grundlage sieht das BAG auch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, auf der Startseite des eigenen Intranets einen Link zu Gewerkschaftsseiten einzurichten, damit die Gewerkschaft auf diese Weise für neue Mitglieder werben kann.

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