Ein Rechtsanwalt ist arbeitsunfähig, wenn er zur umfassenden Bearbeitung der übernommenen Mandate und Vertretung des Mandanten nicht mehr in der Lage ist. Das hat der Versicherungssenat des BGH (Urt. v. 3.4.2013 – IV ZR 239/11) entschieden. Arbeitsunfähigkeit iS der MB/KT liegt nach § 1 Abs. 3 der MB/KT (Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung) vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch tatsächlich nicht ausübt und auch keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.
Der Einwand der Versicherung, der klagende Rechtsanwalt hätte trotz einer auf einem leichten Schlaganfall beruhenden Lesestörung (Dyslexie) Mandantengespräche führen, diktieren und vor Gericht auftreten sowie Fortbildungsveranstaltungen besuchen können, überzeugte den BGH – mit Recht – nicht. Zwar genüge für die Arbeitsfähigkeit eine partielle, nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit (BGH v. 25.11.1992 – IV ZR 187/91, VersR 1993, 297). Dafür sei es jedoch nicht ausreichend, dass der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage ist, die im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar auch anfallen, isoliert aber keinen Sinn ergeben. Die Fähigkeit zum flüssigen Lesen stelle eine unabdingbare Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts dar.
Ob der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne ebenso verstanden werden kann, ist fraglich. Erstens weil eine Teilarbeitsunfähigkeit bislang nicht anerkannt ist; zweitens weil sich die Ausführungen des BGH auf einen selbständig tätigen Rechtsanwalt beziehen. Gleichwohl dürfte auch bei angestellten Rechtsanwälten Arbeitsunfähigkeit dann vorliegen, wenn sie lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage sind, die für sich keinen Sinn ergeben.
RA FAArbR Axel Groeger, Bonn
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